Transkript - Arbeit, Teil 2
Lisa: Hallo und herzlich willkommen beim spoken german podcast. Ich heiße Lisa, ich bin Deutschlehrerin, und ich möchte euch mit diesem Podcast helfen, euer Hörverständnis zu trainieren. In dieser zweiten Episode zum Thema Arbeit erzählen euch Christina, Annika und Nicola, ob sie einen Traumberuf haben, was ihnen in einer Arbeit besonders wichtig ist und was sie in einem Job nicht ertragen könnten. Hier ist Christina:
Christina: Ich glaub, genau wie bei Traummann oder Traumfrau gibt es den Traumjob, so genau zu benennen, nicht. Aber ich habe so eine ideale Vorstellung, was ich als Job super fände, den es aber so nicht gibt – vielleicht sollte man sich den so dann einfach mal bauen! – und zwar interessier ich mich ja für super viele Themen, also ich kann mich, wenn ich auf ein Thema stoße, das mich extrem interessiert, intensiv einlesen, und google dann ganz viel dazu und schaue mir irgendwelche Youtube Videos dazu an, und das nennt sich ja Scanner-Persönlichkeit, wenn man so breitgefächert sich immer wieder intensiv für viele Dinge interessiert, und die hab ich eindeutig, und die würd ich gerne derart in ‘nen Job umwandeln, dass ich für verschiedene Leute – hab immer gedacht, so aus dem Freundeskreis, oder das dann professionalisieren für Leute, die mich dann buchen würden – zu Themen, die sie interessieren, diese quasi kuratiere, und ihnen dann immer wieder Links und Filme und Tipps gebe zu diesen Themen, und dann hätte ich quasi so ne Liste von Leuten, die vorher so ihre Vorlieben angegeben haben, und für die würde ich dann immer, wenn ich was finde, ihnen so was zusammenstellen. Das gibt’s teilweise ja inzwischen auch schon so kuratiert, so im kulturellen Bereich: „Perlentaucher“, wobei die eigentlich nur immer Artikel zusammenstellen und Rezensionen zu Büchern und das so speziell auf so ganz Einzelthemen auch nicht machen, und es gibt „Piqd“, zum Beispiel, die Zeitungsartikel zusammentragen und die dann von bestimmten Redakteuren auswählen lassen, die dann so ne kleine Einführung dazu schreiben und ein bisschen das einordnen, aber eben so, wie ich mir das vorstellen könnte, nicht, und insofern wär ich dann quasi auch professionell sozusagen Perlentaucherin, würde dann eben diese Aufträge oder diese Interessenprofile zusammenstellen von den Leuten, und würde dann, während ich mich die ganze Zeit durch irgendwelche Zeitungen lese oder durchs Internet scrolle, jeweils immer, wenn ich was entdecke, für die zusammenstellen, und dann würden die immer jeweils so alle paar Tage oder jede Woche so’n kleines Portfolio kriegen und müssten dann selber nicht – wo ja ganz viele keine Zeit für haben und auch keine Muße – sich das zusammensuchen, sondern das mach ich dann.
Lisa: Womit kannst du überhaupt nicht umgehen?
Christina: Also ich merk, dass ich relativ frei arbeiten muss. Also, ich arbeite gerne in ‘nem Team, ich arbeite gern mit Leuten zusammen, kann auch gut damit oder manchmal ist es sogar ganz gut, wenn man so’n gewissen inhaltlichen Rahmen vorgegeben hat. Ich weiß, als ich als Grafikerin gearbeitet habe... ich bin kein kreativer Mensch, der selber Dinge schafft aus sich heraus und ne gewisse Idee dann, die nur aus mir kommt, verwirklichen will. Also ich möchte nicht selber etwas schaffen, sondern das muss dann schon in irgendeinem Rahmen geschehen oder irgendein Auftrag sein, als Grafikerin hat das sehr gut geklappt, wobei das ja auch nicht immer sehr kreativ anregende Vorgaben sind, aber so in ‘nem gewissen Rahmen, es soll was erreicht werden jetzt, in der Naturschutzorga(nisation), ne Kampagne durchgeführt, ein bestimmtes Ziel verfolgt werden, das mag ich sehr gerne, dann zu planen, Strategie zu entwickeln, und das auch gerne mit Anderen zusammen. Was ich überhaupt nicht mag, ist, wenn mir zu sehr einfach Aufgaben vorgegeben werden und das dann so’n stures Abarbeiten ist, grad auch so Detailarbeit. Da, ja, werd ich ganz unruhig und frustriert und das ist mir auch zu wenig Herausforderung.
Lisa: Hast du dich irgendwie verändert über die Jahre oder hast du Bestimmtes über dich gelernt, dadurch, dass du verschiedene Arbeitsstellen hattest und auch verschiedene Arten von Arbeit?
Christina: Ja, also ich merk, dass ich in meiner Arbeit schon sehr zum einen danach gehe, dass es was ist, was ich gerne mache, was mir auch entspricht, und wo ich aber auch ‘nen gewissen Sinn dahinter sehe. Und in die Richtung hat sich letztlich dann aber auch so mein Arbeitsschwerpunkt immer mehr verlagert. Also, ich hab am Anfang auch mit meinen Interessen angefangen, indem ich zunächst erst an ‘nem Verlag gearbeitet habe, dann aber eben gemerkt habe, das ist doch nicht so ganz meins, dann hat mich aber schon immer Grafik interessiert und der Internetbereich und dann hab ich ne Weiterbildung gemacht und dann in ‘ner Internetagentur als Grafikerin gearbeitet, und in dem Bereich dann auch ne Zeitlang für Google gearbeitet, und dann irgendwann aber gemerkt, dass eben gerade dieser Sinnbereich da für mich nicht gegeben war, und dass das zwar teilweise kreativ interessant und ne Herausforderung war, aber dieser Sinnbereich da gar nicht abgedeckt wurde, und irgendwann hatte ich auch das Gefühl, wir verkaufen nur Dinge, die die Welt nicht braucht, und das hat sich dann irgendwann hohl und leer und falsch angefühlt, und dann hab ich gemerkt, dass ich das, was ich ehrenamtlich viel gemacht habe, nämlich Tierschutz- und Naturschutzarbeit, dann hauptberuflich machen wollte, und seitdem bin ich ja in dem Sektor tätig, und merke, dass mich das viel mehr erfüllt, merke aber auch, dass das die Gefahr birgt, dass man sich zu sehr da reinkniet und dass man sich zu viele Gedanken drum macht, dass man eben nicht ‘nen Job hat, der dann um 17, 18 Uhr aufhört und dann denkt man nicht mehr dran, sondern das beschäftigt einen dann auch weiter. Man neigt auch eher dazu, Überstunden zu machen, und das ist dann so’n bisschen die Kehrseite. Aber ich habe einfach über die langen Jahre gemerkt, dass ich ne Arbeit, die einfach nur zum Geldverdienen ist und vielleicht dann auch meinen Fähigkeiten entspricht, aber [wo] ja diese Sinnhaftigkeit da total fehlt, dass ich das nicht mehr könnte.
Lisa: Kann ich verstehen.
Christina: Was mir immer mehr auffällt, und vielleicht ist man ja da auch immer sensibilisierter mit der Zeit, auch da ich mich mit diesen Themen auch immer mehr beschäftige, ist, dass unsere Arbeitswelt doch sehr stark von patriarchalischen Strukturen geprägt ist. Und das wird mir immer bewusster, das hat man vielleicht früher auch noch gar nicht so sehen oder wahrhaben wollen, auch wenn man‘s selber als Frau eigentlich immer leicht hatte und nicht auf so viele Widerstände gestoßen bin, aber dann doch über die Jahre gemerkt habe, dass es für Frauen teilweise, gerade in Richtung Führungsetagen zu kommen, doch schwierig ist, und das sehe ich jetzt bei meinem aktuellen Arbeitgeber, das habe ich aber vorher auch schon bei Anderen gesehen, dass es doch in die oberen Etagen hin eher noch so diese Männerbundkultur gibt, dass in den höheren Ebenen doch viel mehr Männer sind, dass ich auch sehe an meinen Kolleginnen mit Kindern, dass es doch immer eher die Frauen sind, die dann, wenn das Kind krank wird in der Kita, wenn das Kind länger ausfällt, jetzt gerade über die Coronazeit, dass es immer stärker die Frauen sind, die Dann zurückstecken müssen, die dann nach Hause müssen, als man noch vor Corona das Kind dann abholen musste und während Corona sowieso, dass dieses gesamte Thema Mental Load, Arbeitsorganisation, wer kümmert sich um die Kinder, wer macht die Hausaufgabenbetreuung, schon sehr stark immer noch auf Frauenrücken liegt, und dass ihnen dadurch aber auch karrieremäßig der Weg nach oben weiter verbaut ist. Und ich glaub, das ist überall so, aber wenn man anfängt, da mehr hinzuschauen, dann fällt einem das mehr auf, und deshalb bin ich immer sensibilisierter auch für Thema Gender Pay Gap, für die Tatsache, wer bei Beförderungen eher bevorzugt behandelt wird, wem mehr Fachwissen zugetraut wird, und da muss ich sagen, da sind wir noch nicht sehr weit, was Gleichberechtigung angeht, in Deutschland. Ich hab dann auch gemerkt, dass man aber auch was machen kann. Also, wir haben dann ne Mitarbeiter_innen-Initiative gegründet, eben daraufhin, dass uns das aufgefallen ist, dass es da doch einige Bereiche gibt, in denen es im Argen liegt, und haben über diese Mitarbeiter_innen-Initiative auch durchsetzen können, dass bei uns inzwischen im gesamten Verband, aber auch in den Publikationen, gegendert wird. Das war also ein großer Erfolg und da haben wir uns auch sehr drüber gefreut, dass da die Widerstände auch gar nicht mal so groß waren, und wir setzen uns aber jetzt auch weiter zum Beispiel dafür ein, dass es mal eine offene Gehaltsstruktur gibt, wo man genau, auch den Qualifikationen nach, aufschlüsseln kann, warum die Gehälter wie gelagert sind, um darüber dann eben so Phänomene wie Gender Pay Gap, die wir anekdotisch schon vermuten, aber die man jetzt noch nicht beweisen kann, aber dass man darauf hinweisen kann und es dann eben möglichst im nächsten Schritt ändern kann, und da haben wir jetzt ein paar Themen noch, die sich dann eben auch mit Diversität und Inklusion auch beschäftigen. Und ja, da sich in so ‘ner Initiative zu engagieren, hilft bei der Frustration über die Dinge, die man sieht, die noch im Argen liegen, weil man zumindest daran arbeitet, was zu ändern, und teilweise eben auch Erfolg hat.
Lisa: Ja super, find ich cool! Die letzte Frage, die du ja teilweise schon beantwortet hast, aber die ich ja, glaub ich, noch nicht konkret gestellt hatte: Was ist dir allgemein in einer Arbeit am wichtigsten?
Christina: Ich glaube, das Wichtigste sind wirklich die Kolleg_innen, also, dass das passt, dass man ein gutes Team ist, dass man sich mit den Leuten versteht. Ich merke, dass das für mich extrem wichtig ist. Das kann nicht alles wettmachen – wenn die Arbeit ansonsten mir nicht gefällt, die Vorgesetzten schwierig sind, dann würde das auf Dauer sicher nicht das Einzige sein, was das rettet – aber es ist was, was einen auch mal über Frustrationsphasen wirklich gut hinüberbringt, wenn man super Kolleg_innen hat und ein tolles Team, und sich versteht, und der Humor auch ähnlich ist, und man mit einigen auch wirklich befreundet ist. Letztlich kennen wir beide uns ja auch über die Arbeit, und ich hab wirklich über meine Arbeit, über die Jahre, immer wieder Leute, die mir dann wirklich auch als Freund_innen geblieben sind, und das ist für mich ganz wichtig. Und darüber hinaus ist es inzwischen eben, dass die Arbeit ne gewisse Sinnhaftigkeit haben muss, und mich dann aber auch fordert und mir auch Spaß macht. Ja, ich würd sagen, das sind so die drei Hauptfaktoren.
Lisa: Ich glaub, das würd auf mich auch zutreffen.
Lisa: Hier ist Annika.
Lisa: Was ist dein Traumjob?
Annika: Hab ich drüber nachgedacht, und tatsächlich ist es so, dass mein Traumjob momentan auf jeden Fall Mediengestalterin ist, also dass, was ich jetzt halt momentan seit zweieinhalb Jahren lerne.
Lisa: Cool!
Annika: Und zwar hab ich das heute so richtig doll wieder gemerkt, weil wir gerade als Prüfungsvorbereitung die Abschlussprüfung von letztem Jahr bekommen haben, und das müssen wir jetzt machen und dann kriegen wir auch ne Note drauf, und das war halt überhaupt nicht so, dass ich dachte, „höh, ich hab jetzt keinen Bock irgendwie“ so, ne, sondern ich hatte halt richtig Lust, das zu machen, und saß auch heute den ganzen Tag dran, und die Zeit ging richtig schnell rum, und das hat mir einfach total Spaß gemacht, und natürlich so im Arbeitsalltag kriegt man ganz unterschiedliche Aufgaben und nicht alle machen immer gleich viel Spaß, ist ja klar, aber ja, da hab ich heute wieder gemerkt einfach, dass mir dieses Gestalten einfach total Spaß macht, und deswegen ist das schon mein Traumjob, würd ich sagen.
Lisa: Oh super, das ist cool! Ja, du hast es jetzt schon so’n bisschen angesprochen, aber was ist das, was dir am meisten daran gefällt?
Annika: Dass man kreativ sein muss und mir gefällt einfach dieses Rumprobieren mit Farben und Form und Schrift, und dass man alles dann in so ‘ne bestimmte Form bringen kann, und ja, also das macht mir Spaß daran eigentlich.
Lisa: Cool! Ist auch schwierig irgendwie, in Worte zu fassen, was einem genau Spaß macht, ne?
Annika: Ja!
Lisa: Aber die Tatsache, dass es dir Spaß macht, ist sehr gut. Und was ist dir allgemein bei einer Arbeit oder im Beruf am wichtigsten? Also abgesehen von der Tätigkeit selber?
Annika: Also, ein Punkt, den ich lange vernachlässigt habe, ist, dass man angemessen bezahlt wird, ne. Also, ich muss jetzt nicht 70.000 Euro im Jahr verdienen, aber es muss einfach schon angemessen bezahlt sein, dass ich davon auch okay leben kann. Weil es ist halt Arbeit, und dafür arbeite ich ja, damit ich Geld bekomme, so. Und danach ist natürlich sehr wichtig, dass man ein gutes Arbeitsklima hat, also dass man gut klarkommt mit seinem Vorgesetzten, mit den Kolleg_innen, und ich find es auch ziemlich wichtig, dass man ‘ne konstruktive Feedbackkultur hat, also dass es eine funktionierende Kommunikation gibt auch überhaupt, und jetzt zum Beispiel dort, wo ich meine Ausbildung mache, da gibt es auch regelmäßig so Feedbackgespräche, wo man dann mit dem Vorgesetzten redet darüber, wie läuft’s gerade, was ist gut, was ist nicht so gut, und so was find ich halt auch voll wichtig. Und darüber hinaus wäre es eigentlich auch optimal für mich, wenn man nur so ne Viertagewoche hätte, also Vollzeit 40 Stunden arbeiten ist halt schon eigentlich ganz schön krass, weil man nicht viel Zeit hat für andere Sachen, und auch wenn die Arbeit Spaß macht, braucht man halt trotzdem den Ausgleich. Also, man muss halt Sport machen und Freunde treffen und auch mal was anderes machen einfach, und ja, ich glaub, 40 Stunden die Woche ist eigentlich zu viel.
Lisa: [Da] stimme ich dir zu.
Annika: Ja, und auch wenn man halt so kreativ sein muss in seiner Arbeit, braucht man halt andere Eindrücke einfach, und muss viel sehen und so, damit man halt auch kreativ bleiben kann, deswegen braucht man auch Pausen. Jo, also die Sachen.
Lisa: Okay, und womit kannst du überhaupt nicht umgehen in einem Arbeitsumfeld oder in einer Tätigkeit?
Annika: Zuviel Stress. Also, ein bisschen Stress ist okay, ne, aber wenn man wirklich permanent Druck und Stress hat, dann kann ich damit nicht gut umgehen. Ich mach mir auch schnell selbst viel Stress. Das ist auch ne Sache, an der ich arbeiten muss, also ich lass mich ganz schnell stressen, wenn irgendjemand anderes gestresst ist, zum Beispiel. Also, das sind halt immer die Leute, die einem Aufgaben geben, die einem den Stress gleich mit übergeben sozusagen, das muss ich dann auch irgendwann mal lernen, den dann nicht mitzunehmen. Ich find das scheiße, wenn man unfreundlich miteinander umgeht. Also, es sitzen ja halt alle quasi im selben Boot, ne, also wenn man jetzt ‘nen bestimmten Job fertigmachen muss oder so, und dann find ich’s nicht cool, wenn man dann unfreundlich wird. Und, also das hatte ich jetzt so nicht, aber ich glaub, wenn das so’n Umfeld wär, wo Leute immer über die anderen Leute reden die ganze Zeit, das fänd ich auch nicht cool. Sonst, weiß gar nicht, was haben denn die anderen so gesagt?
Lisa: Ja, schlechte Vorgesetzte und schlechte Kollegen, glaub ich. Was hast du so über dich gelernt im Arbeitsleben?
Annika: Also zum einen hab ich gelernt, dass ich sehr viel mehr kann als ich mir immer zutraue. Dass ich mir auch ganz viel selbst beibringen kann, hab ich jetzt auch durch die Ausbildung gelernt. Und ja, also es ist halt, auch wenn ich mich jetzt mit den Ausbildungsinhalten zum Beispiel am Anfang mal ausführlich beschäftigt hätte, was ich zum Glück nicht habe, hätte ich glaub ich gedacht, okay, ich krieg das nie hin, so, ne. Aber ich hab halt bisher immer alles geschafft, was ich dann letztendlich machen musste, und inzwischen hab ich auch ne andere Einstellung, dass ich das eigentlich grundsätzlich denke, ich krieg so das meiste in der Regel schon hin. Das war auf jeden Fall ganz gut, dass ich das jetzt mal gelernt habe. Und ich hab auch gelernt, dass man auf die eigenen Bedürfnisse achten muss, weil das sonst total nach hinten los geht, also auch auf sein Bauchgefühl hören muss, so. Und ich hab auch gelernt, dass ich so Stereotype hatte sozusagen. Also, ich dachte halt immer, „ich will in ‘nem guten Unternehmen arbeiten“, ne, also „ich will auf jeden Fall irgendwie in ‘ner sinnvollen Organisation arbeiten, weil da bestimmt auch nette, empathische Leute nur sind, und ich will auch nur mit solchen Leuten zusammenarbeiten“ und so. Und da hab ich aber eben auch gelernt, dass das so gar nicht stimmt, und dass aber andererseits auch – die Ausbildung mach ich in ‘ner Werbeagentur – und da hätte ich früher auch gedacht, „niemals will ich in ‘ner Werbeagentur arbeiten“, ne, „da arbeiten bestimmt nur voll die Egoschweine,“ keine Ahnung! Aber es ist halt überhaupt nicht so, da sind total viele tolle, liebe Menschen, die ich jetzt da kennengelernt hab, und das ist, glaub ich, auch ne ganz gute Erkenntnis, dass es eben nicht so einfach ist, ne. Also, überall arbeiten blöde Menschen, überall arbeiten nette Menschen, und das hat gar nicht unbedingt was mit der Tätigkeit oder mit dem Unternehmen zu tun, so. Ja, das ist ne ganz gute Erkenntnis, glaub ich!
Lisa: Interessant, ja.
Annika: Thema Sinnstiftung noch: Also, es ist natürlich schön, wenn die Arbeit, die man macht, auch etwas sinnstiftend ist. Ich bin allerdings aufgrund von meinen bisherigen Erfahrungen davon weg zu sagen, „ich muss jetzt unbedingt für ne NGO oder so arbeiten, egal, was ich da mache.“ Das wär natürlich schön, aber man muss vor allem eben die Tätigkeit und das Umfeld auch mögen. Und wenn ich als Mediengestalterin jetzt zum Beispiel bei ‘ner Tierschutzorga(nisation) arbeiten könnte, war das natürlich super – Stichwort Traumjob – aber solange ich irgendwie Sinn in anderen Jobs auch finde, ist das für mich auch okay.
Lisa: Hier ist Nicola:
Nicola: Also, ich bin ja Sonderpädagogin, also das heißt, ich arbeite an einer Förderschule mit Kindern, die Förderbedarf haben. Das gibt’s ja nicht in allen Ländern, das ist ja sehr deutschspezifisch. Also, die Schüler, die ich beschule, die haben emotionale und soziale Schwierigkeiten, und Förderbedarf in den Bereichen. Ich bin jetzt seit drei Jahren ausschließlich am Schulamt, so dass ich gar nicht in meinem Beruf ja jetzt arbeite. Dennoch kann ich wirklich sagen, dass das auf jeden Fall der Beruf ist, den ich mir immer gewünscht habe, Lehrerin zu sein insbesondere Förderschullehrerin. Das hat ja angefangen, weil die Mutter meiner Freundin diesen Beruf ausgeübt hat und wir so mit diesem Beruf aufgewachsen sind. Meine Freundin selbst hat dann Psychiatrie studiert, also ist Ärztin im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie, also ist auch in diesen Bereich eher in die medizinische Richtung gegangen, und ich bin eher wirklich 1:1 in die Richtung gegangen wie ihre Mutter.
Lisa: Interessant!
Nicola: Und ich kann schon sagen, dass das immer mein Traumberuf war, das wollte ich immer werden und schon ganz früh. Hab da eigentlich schon viel für in Kauf genommen und viel Anstrengung auch bringen müssen, aber ich wusste ja immer, wo ich hinwollte, und deswegen hat sich die Anstrengung jedes Mal für mich gelohnt. Dann war ich auch zehn Jahre wirklich an einer Förderschule, mit diesem Förderschwerpunkt, hab also mit Kindern gearbeitet, die stark traumatisiert sind, starke Bindungsstörungen haben, Psychosen, also auch wirklich richtig, richtig heftige Geschichten dabei. Und ich hab ganz, ganz lange mit den Erstklässlern gearbeitet, also die wirklich aus dem Kindergarten zu uns kamen und die erstmal ankommen mussten. Das hat mir total Spaß gemacht, aber unendlich viel Kraft geraubt. Also auch körperlich. Da waren wirklich richtige Kämpfe, die waren dann auch übergriffig, und man musste die dann auch voreinander schützen, die sind aufeinander losgegangen, ich bin angegriffen worden, und da musste man dann ganz oft überlegen, was ist hier jetzt wirklich extrem grenzüberschreitend und was ist jetzt hier noch tolerabel. Ja, ich hab unheimlich viel gelernt, aber es hat mich auch über die Unterrichtszeit hin massiv beschäftigt, was da dann passiert ist. Das eigene Verhalten reflektiert, überlegt, warum handelt ein Kind so, was steckt dahinter? Also, dieses ganze Paket ist einfach nicht ohne. Trotzdem ist es das, was ich immer wollte, und wenn ich dann mal in eine Grundschule gekommen bin – weil wir in der Grundschule ja auch Kinder anschauen und diagnostizieren, ob da Förderbedarf vorliegt –da dachte ich jedes Mal, „ah, ist das langweilig hier, hier passiert ja gar nichts, was machen die hier den ganzen Tag!?“ Es ist halt nicht immer alles so Bombe, ne. Es ist halt auch an manchen Tagen wirklich… da möchte man’s hinschmeißen. Aber [das] gehört irgendwie dazu, und was mir in einem Job, in meinem Beruf besonders wichtig wäre, ist die Atmosphäre untereinander. Nun bin ich in ‘nem extrem sozialen Beruf. Sozialer, meiner Meinung nach, geht’s kaum noch. Also, es ist nicht nur Schule, sondern Förderschule, und dann noch Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, das heißt nicht unbedingt, dass da ‘ne Stimmung besonders gut ist, sondern dass die Kollegen unter ‘nem großen, großen Druck stehen, [dass da] ‘ne große Anspannung ist, unser Beruf nicht so beliebt ist, dass ganz, ganz viele Lehrer fehlen in dem Bereich. Es fehlen sowieso viele Lehrer, aber in dem Bereich sowieso. Das muss man wollen. Wenn man da gar kein Interesse oder gar keinen Idealismus mitbringt, ist es unendlich schwer, und man geht ein Stückweit zugrunde, glaub ich. Nicht, dass ich das immer hätte, aber daher denk ich, in einem Beruf, den ich ausübe, da wär’s mir unheimlich wichtig, ein Team zu haben und Kollegen zu haben, die mich da auffangen. Also auf professionelle Weise gibt’s ja super Vision, oder auch einfach auf ganz banale Art, dann Teamgespräche, und das ist so, so immens wichtig, weil das, was ich da täglich dann erlebe, das einfach so mit nach Hause zu nehmen, ist nicht ohne. Ich hab ja nicht direkt hier vor Ort gearbeitet, ich hab ne Dreiviertelstunde Anfahrt gehabt, und ich hatte zwei Kolleginnen, die mit mir nach Hause gefahren sind. Und viele, denen ich erzählt hab, ich arbeite ne Dreiviertelstunde entfernt, haben immer gesagt, „oh, willst du dir nichts Anderes suchen, das ist ja ein Riesengegurke!“ Und über die Jahre habe ich‘s wirklich zu schätzen gelernt, dass die beiden Kolleginnen mit mir im Auto waren. Wir haben in dieser Dreiviertelstunde so viel Psychohygiene gemacht, das hätte ich zuhause gar nicht. Bei ‘nem 5-Minuten-Fußweg hätte ich das gar nicht verarbeitet, aber wir sind dann oft aus dem Auto gestiegen und dann haben wir das, was auch viel an Belastung da war, auch viel an Mist und Frustration, im Auto gelassen, und haben uns da eigentlich gegenseitig immer gut aufgefangen. Und wenn einer auch einfach mal nur ne Viertelstunde nur motzen wollte und sagen wollte, wie schlimm alles ist und was für ätzende Schüler man hat, dann war das auch in Ordnung. Und wenn das mal war, dass jemand einfach wirklich ne Frage hatte: „Sag mal, wie macht ihr das? Den und den Schüler hattet ihr doch letztes Jahr auch.“ Das hat unheimlich entlastet und jeder hatte noch mal ‘nen anderen Blick drauf. Und die Dreiviertelstunde war im Endeffekt genau richtig und Gold wert, das war wirklich schön. Und das ist für mich ganz entscheidend in diesem Beruf, da kein Einzelkämpfer zu sein, ne. Unsere Arbeit in den Klassen ist im Team, mindestens zu zweit, manchmal sogar noch häufig mit ‘ner anderen Disziplin, also manchmal waren noch Sozialarbeiter dabei, Erzieherinnen, Schulbegleiter, also ganz viele verschiedene, ja, Professionen, und ganz verschiedene Menschen mit ganz verschiedenen Kompetenzen und Eigenschaften. Und da gut im Team zu arbeiten und aufeinander zu gucken und Probleme zu besprechen – so banal es manchmal klingt, aber das ist das, was ich in meinem Beruf brauche. Da kann meine Klasse noch so schwierig sein – wenn ich weiß, ich hab ‘nen Kollegen, ne Kollegin, auf die kann ich mich verlassen, und die steht voll und ganz hinter mir, wenn ich da ‘nen Riesenkonflikt habe, oder mit mir gemeinsam Projekte angeht und sagt, „komm, das trauen wir uns zu! Das sind keine einfachen Schüler, aber wenn wir das jetzt nicht mal angehen, das macht doch keiner mit denen.“ Und das ist ganz großartig und das hab ich viel, viel erlebt und das ist das, worauf ich mich dann auch wieder freue und ich Hoffnung schöpfe, wenn’s dann wieder zurück in die Schule geht.
Lisa: Ja, das ist schön, ja, so’n Zusammenhalt muss man haben mit Kollegen, sonst ist’s schwierig.
Nicola: Ja.
Lisa: Okay, dann die nächste Frage wäre: Womit könntest du überhaupt nicht umgehen oder was kannst du auf Dauer nicht ertragen, in nem Job?
Nicola: Ja, ich hab jetzt ja gesagt, was ich gut finde oder was mir wichtig ist, ist ein gutes Team. Im Gegensatz dazu wär’s halt, wenn das Miteinander nicht stimmt und da viel Hass und Sarkasmus und Frustration mit im Spiel ist. Das hab ich schon auch viel erlebt – im Lehrerberuf ist das nicht ungewöhnlich, das wissen wir aus eigener Erfahrung. Das könnte ich sehr schwer ertragen, mit jemandem im Team zu sein, der da schwierig ist. Oder vielleicht auch teilweise willkürlich in den Entscheidungen. Also, ganz viel auf dieser zwischenmenschlichen Ebene, das könnte ich nicht ertragen. An Schule ist es dann immer zusätzlich, find ich, noch wichtig, dass man ne Schulleitung hat, die voll und ganz hinter einem steht, grad in diesen kleinen Förderschulsystemen. Und das ist auch wieder das Zwischenmenschliche, ne. Dass du Menschen hast, die dich da unterstützen, dass du in dem Team aufgefangen wirst, und wenn das nicht der Fall ist, puh, dann ist der Job doppelt schwer! Ich glaube, was ich gelernt habe: dass man ziemlich gut auf sich aufpassen muss. Dass man Grenzen für sich setzen muss, überlegen muss: Für was ist man wirklich verantwortlich? Wo kann man helfen, wo hört es auf? Ist Helfen immer das Richtige? Also, sehr, sehr sich zu reflektieren, sehr über seine eigenen Verhaltensweisen nachdenken, und gleichzeitig auch Schlussstriche zu ziehen, einfach zu sagen, „okay, an der Stelle geht’s jetzt nicht weiter, da dreh ich mich im Kreis, da brauch ich vielleicht Unterstützung und Hilfe.“ Ja, und da dann in dem Fall Prioritäten setzen und sagen, „okay, da, an der Stelle kann ich helfen, und an der Stelle geht es mit dem Schüler hier nicht weiter.“ Oder mit der Situation, dass ich da vielleicht durch irgendwas, wie man so schön sagt, getriggert werde, und hochgehe und denke, „nee, da muss ich mich viel besser im Griff haben, weil es mich so fürchterlich aufregt, wenn er immer wieder die gleichen Verhaltensweisen zeigt!“ Also, da für sich Grenzen zu kriegen und auf sich aufzupassen, ich denke, das ist unheimlich entscheidend, weil man grundsätzlich ja den Menschen unterstützen will, auf dem Weg klarzukommen, ne. Alltags…
Lisa: Genau, wenn man dann sich zu sehr einsetzt, ja, ist es für einen selber wahrscheinlich psychisch auch sehr belastend, ne.
Nicola: Weil’s so viele Rückschläge gibt, ne. Also, weil diese Kinder, mit denen ich arbeite, zum Beispiel starke Bindungsstörungen haben. Und [man darf] die Dinge dann nicht immer persönlich nehmen. Also, wenn ich zu einem Mädchen sage: „Pass auf, das kriegst du hin, morgen bist du wieder [um] 8 Uhr hier, das schaffst du!“ – „Ja, ja,“ das verspricht sie mir in der Hand, und sie schafft’s nicht. Am nächsten Morgen ist sie wieder erst um 10 Uhr da, weil zuhause die Bude brennt, ne. Das funktioniert da nicht, da ist nur Zoff, da sind auch teilweise Drogen, Alkohol im Spiel, bei den Eltern, Gewalt im Spiel.
Lisa: Furchtbar.
Nicola: Ganz furchtbar, und dann einfach zu sagen, „okay, da sind Grenzen, und das macht sie jetzt grad nicht mit mir aus, ich muss nicht sauer auf sie sein, weil das nicht persönlich jetzt angreift, sondern die Bedingungen, [in denen] dieses Mädchen lebt, sind so, dass sie zwar versucht, es abends zu versprechen oder am Nachmittag, wenn man sich verabschiedet, und am nächsten Morgen ist wieder alles über’n Haufen geworfen, weil die Bedingungen zuhause – zum Beispiel zuhause – total schwierig sind, oder weil das Mädchen an sich auch nie gelernt hat, Vertrauen aufzubauen, anderen Menschen irgendwie sich gegenüber zu öffnen. Also, da ist so viel Baustelle oft, dass man da gar nicht so mit Schwarz und Weiß kommen kann, sondern da sind ganz viele Grauzonen. Und sich da nicht immer wieder runterziehen zu lassen, sondern zu sagen, es ist nicht persönlich gegen mich, sie macht das nicht, um mich zu ärgern – oder der Junge macht es nicht, um mich zu ärgern – sondern da spielt so viel rein, und ich kann nur unterstützen, dass sie’s immer wieder aufs Neue versucht. Wir haben in der Schule oft gesagt: „Jeder Tag ist ein neuer Start. Das, was gestern passiert ist, versuchen wir zu klären. Aber morgen früh kommst du hier an und wir starten neu.“ Und das fand ich immer auf irgend‘ne Art auch sehr erfrischend, da ging’s jetzt auch nicht darum, Sachen unter’n Teppich zu kehren – die wurden geklärt – aber wir haben den Dingen… sind denen nicht nachgehangen, also wir haben uns den Dingen den nächsten Tag neu gestellt und gesagt, „komm, neuer Start, du bist wieder hier, schön, dass du gekommen bist, und jetzt starten wir neu.“
Lisa: Und das war der zweite Teil unserer Episode zum Thema Arbeit. Im Sommer kommen dann die nächsten Episoden raus. Bis dahin alles Gute für euch!
Umgangssprachliche Ausdrücke
sich (in etwas) reinknien = einer Sache viel Zeit widmen, sich stark um etwas bemühen (meist in Bezug auf Arbeit / Studium)
etwas hinkriegen = etwas schaffen, etwas gut machen
nach hinten losgehen = fehlschlagen, kontraproduktiv sein
nicht ohne sein = nicht einfach sein
Bombe = super, toll
etwas hinschmeißen = etwas aufgeben, nicht mehr weitermachen
das (Riesen-)Gegurke = lange Fahrt
Mist = hier: Ärger, Schwierigkeiten
motzen = sich aufregen, meckern
hochgehen = wütend werden, sich aufregen
klarkommen = zurechtkommen, eine schwierige Situation bewältigen
Die Bude / Hütte brennt. = Es ist viel los, es gibt große Probleme.
der Zoff = Ärger, Streit
etwas / alles über den Haufen werfen = Geplantes verwerfen; seine Pläne aufgeben, um sich komplett neu zu orientieren
jemanden runterziehen = jemanden deprimieren, jemanden schlecht fühlen lassen
sich (von etwas / jemandem) runterziehen lassen = sich entmutigen lassen, sich den Spaß verderben lassen
in etwas reinspielen = ein Faktor sein
etwas unter den Teppich kehren = etwas vertuschen oder verdrängen, weil man sich nicht damit befassen oder darüber reden möchte