Transkript - Freundschaft, Teil 1
Jasmin: Sie sind nett zu mir, das ist das Wichtigste.
Lisa: Hallo und herzlich willkommen zum spoken german podcast. Mein Name ist Lisa, ich bin Deutschlehrerin und ich möchte euch mit diesem Podcast helfen, euer Hörverständnis zu trainieren. Diesmal sprechen wir über das Thema Freundschaft. In diesem ersten Teil geht es darum, was eine gute Freundschaft ausmacht und ob die sozialen Medien unseren Freundschaften guttun oder eher nicht. Vor kurzem fand ich im Internet einen Beitrag von Deutschlandfunkkultur, da wurde ein Theologe namens Joachim Negel interviewt, der ein Buch über Freundschaft geschrieben hat. Der Titel seines Buches lautet: ‚Freundschaft. Von der Vielfalt und Tiefe einer Lebensform‘. In dem Interview sagte er, und ich zitiere, „dass Freundschaft elementar mit Vertrauen zu tun hat, mit Interesse an gemeinsamen Themen, mit Hilfsbereitschaft, mit Zuneigung, mit Freude am anderen.“ Laut Negel ist das Bedürfnis nach einer echten Freundschaft scheinbar „ein menschliches Urphänomen.“ Christina, was verstehst du unter einer guten Freundschaft?
Christina: Für mich ist ‘ne Voraussetzung für ‘ne gute Freundschaft schon, dass man sich gegenseitig versteht, also dass man die Gefühle des Anderen nachvollziehen kann, dass man auf gewisse Art die Reaktionen auch verstehen kann, dass man so ‘ne Grundlage von ähnlicher Herangehensweise an Themen hat und von ähnlichen Vorstellungen und Werten.
Lisa: Hier ist Nicola, eine meiner engsten Freundinnen:
Nicola: Unter einer guten Freundschaft versteh ich, dass man sich irgendwie blind versteht, dass man viel miteinander quatschen und sprechen kann, über Lustiges, über Trauriges, über alles irgendwie. Ich glaube, das ist mir ganz wichtig bei ‘ner Freundschaft, über Dinge zu sprechen, und dass man das dann auch mal aushalten kann, wenn dann irgendwie nicht gesprochen wird, dass man auch manchmal nebeneinandersitzt und nicht zwanghaft irgend‘nen Gespräch aufzubauen… Ist mir bei dir noch nie passiert! Das ist mir bei ‘ner Freundschaft wichtig. Das andere ist der Humor. Also dass man auf einer Wellenlänge ist, insbesondere beim Humor. Und ich hab das Gefühl, dass ich das immer sehr schnell merke, teilweise innerhalb von ein paar Minuten weiß man, okay, der eine versteht einen so wie man ist und versteht den Humor und den Witz oder die Stimmungslage, und das hat man nicht bei jedem. Und ich finde, das macht ‘ne gute Freundschaft aus, dass man da auf einer Wellenlänge ist.
Lisa: Wie Nicola sprach auch Vladi die Tatsache an, dass man in einer guten Freundschaft nicht konstant reden muss, um sich miteinander wohlzufühlen. Für ihn bedeutet Freundschaft….
Vladi: Dass man miteinander sein kann, dass man nicht miteinander reden muss, aber sich irgendwie trotzdem versteht, Spaß hat, und dass es nicht so merkwürdig ist. Kennst du das, wenn du neue Leute kennenlernst und mit denen halt grad nichts zu reden hast und dann ist das so merkwürdig?
Lisa: Ja, ist so’n ganz unangenehmes Gefühl, ne? Ich bin dann immer so jemand, der dann ständig reden muss!
Lisa: Leo betonte den Wert von Vertrauen und Nachsicht:
Leo: Also ‘ne gute Freundschaft bedeutet, dass man ‘ne gewisse, ich sag mal so, „chemistry“ [Chemie] hat, also dass man miteinander sofort irgendwie klickt, dass man dieses Vertrauen zueinander hat, dass man offen über Sachen reden kann, dass man Geheimnisse bewahren kann, dass man Rücksicht aufeinander nimmt, und dann dementsprechend, wenn man weiß, dass jetzt kein guter Zeitpunkt oder so ist, dass man dann auch einfach mal diesen Schritt zurücknimmt oder wenn mal jemand garstig ist oder sauer, dass man dann in dem Moment vielleicht auch als guter Freund weiß, dass es nicht so gemeint ist, weil es aus der Situation rauskommt, und ich denke, das sind so Eigenschaften, die man erst über 'ne ganze Zeit [nach einer gewissen Zeit] lernt über die andere Person.
Lisa: Hier ist meine Freundin Jasmin, die ihr bereits ganz am Anfang gehört habt.
Jasmin: Hilfsbereit, lustig, für jeden Spaß zu haben – für fast jeden Spaß zu haben – aufmunternd, ich weiß, ich hab immer ein offenes Ohr bei denen, und die wissen, die haben immer ein offenes Ohr bei mir. Sie sind nett zu mir, das ist das Wichtigste. Das sind Menschen, die einfach nett zu mir sind.
Lisa: Für Lisa Marie sind die drei wichtigsten Aspekte einer Freundschaft:
Lisa Marie: Ehrlichkeit, Zuneigung und bedingungslose Akzeptanz und Toleranz. Also jetzt nicht, dass man alles gutheißen muss -- das natürlich nicht -- aber dass man halt nicht urteilt, glaub ich, das find' ich ganz wichtig. Also dass man für den Anderen da ist oder sich gegenseitig unterstützt, auch wenn man es vielleicht nicht versteht, warum der oder die Andere jetzt was Bestimmtes macht oder ne bestimmte Entscheidung getroffen hat.
Lisa: Hier ist meine Schwester Inga:
Inga: Wenn man in die Arbeit kommt und man hat da ‘nen guten Freund, der sieht direkt, dir geht es heute nicht gut. Und dann ist derjenige einfach besonders nett zu einem oder stellt einem vielleicht wortlos ein Stück Kuchen hin. Ich glaub, das ist für mich Freundschaft, dass der andere sieht, wie es mir geht. Ein guter Freund oder ‘ne gute Freundin ist jemand, der oder die immer für einen da ist und jemand, bei dem man sich nicht ständig melden muss und mit dem man nicht ständig was unternehmen muss. Ich finde, man kann Bekannte haben, mit denen man Spaß haben kann, zum Beispiel ins Kino gehen oder so, dafür man muss man jetzt nicht gut befreundet sein. ‘Nen Freund [eine Freundschaft] macht aus, dass man man selber sein kann und dem auch irgendwie Geheimnisse erzählen kann.
Lisa: Mein Freund Erik, der aus den USA kommt, aber Deutsch spricht wie ein Muttersprachler, sieht das ähnlich:
Erik: Zuverlässigkeit. Dass der Freund immer da ist, wenn man Hilfe braucht oder irgendetwas. Zuverlässigkeit ist mir sehr wichtig und ja, auf jeden Fall Lockerheit, Empfänglichkeit, also dass die gute Zuhörer sind. [Und] dass die Person verantwortungsbewusst ist.
Lisa: Auch Annika betonte den Wert von Hilfsbereitschaft und Vertrauen:
Annika: Man hat ’n Problem und ruft die Person an und die sagt, ja klar, ich helf‘ dir. Also das ist irgendwie was sehr Elementares, wo ich sagen würde, die Person ist mein Freund. Und auch so ’n bisschen, dass man einfach das Vertrauen hat, dass die einen nicht anlügt oder schlecht über einen redet. Und dann kommt’s glaub ich darauf an -- weil man ja auch für bestimmte Dinge bestimmte Freunde hat, mit denen man bestimmte Dinge macht, aber nicht zwangsläufig auch alle anderen Sachen – und wenn ich jetzt mit einer Freundin immer ins Kino gehe, ist natürlich für diese Freundschaft wichtig, dass wir ’nen ähnlichen Filmgeschmack haben zum Beispiel, und uns dann gut danach darüber unterhalten können… dass man sich so versteht.
Lisa: Als Nächstes fragte ich meine Schwester und meine Freunde: Was unternehmt ihr besonders gerne mit guten Freunden? Welche gemeinsamen Aktivitäten sind euch besonders wichtig?
Inga: Ich bin früher mit meinem Mann viel laufen gegangen, jetzt zum Beispiel gehen wir viel wandern.
Christina: Mit einer Freundin bin ich öfter unterwegs und wir gehen abends weg und tanzen. Meist treffen wir uns erstmal und essen zusammen und da unterhalten wir uns auch viel, aber grad, wenn wir dann irgendwo in ‘nem Club stehen, ist es auch so, dass wir auch öfter – auch dadurch, dass es laut ist, aber auch weil’s nicht nötig ist – einfach so ne Stunde nur da nebeneinander stehen, ab und an geht eine von uns tanzen, manchmal wir beide, und dann muss man auch nicht die ganze Zeit reden, sondern man teilt ‘nen Erlebnis und ist dort zusammen und genießt es einfach.
Jasmin: Ich hab zum Beispiel eine Freundin, mit der, weiß ich, kann ich immer 'nen Kaffee trinken gehen, egal wann. Oder wir hatten mal ‘ne Tradition, dass zu ihrem Geburtstag lad ich sie ins Kino ein, und zum Essen, und zu meinem Geburtstag lädt sie mich ins Kino ein [und] zum Essen. Ich hab ‘ne andere Freundin, da ist es egal, was wir machen. Ich hab Freunde, mit denen kann ich auf der Couch sitzen und nix tun für Stunden oder für drei Stunden mal [über] nix sprechen, und ich hab andere Freunde, mit denen ich immer irgendwo hingehen kann, ‘nen Kaffee trinken oder Kino.
Erik: Also ich gehe gerne mit Freunden ins Restaurant. Ich liebe Kaffee, also ich gehe gerne ins Café und trinke gerne einen guten Kaffee mit Freunden und ich bin gerne draußen, also ich bin gerne in der Natur, ja, mit Freunden wandern oder Sport treiben. Ja, ich meine, ich unternehme auch vieles alleine, aber ja, ist immer schön, wenn ich mit Freunden ins Restaurant gehen kann und gute Gespräche mit Freunden führen [kann].
Nicola: Ich finde, Essen verbindet uns beide ja auch irgendwie.
Lisa: Stimmt.
Nicola: Leckeres Essen, gutes Essen. Essen genießen irgendwie zusammen und Spaß daran haben, irgendwie neue Sachen zu entdecken und auszuprobieren, für jemanden kochen. Das find ich total schön und da bin ich ’n Genießermensch und mag das gerne.
Lisa: Total.
Nicola: Oder neue Restaurants ausprobieren -- wenn man das Aktivität nennen kann!?
Lisa: Klar!
Nicola: Filme find ich gut noch.
Lisa: Stimmt.
Nicola: Das war ja früher auch das, was wir sehr viel gemacht haben, ne? Filme gucken und ins Kino gehen.
Lisa: Ich hab dich auch gezwungen, Horrorfilme mit mir zu gucken.
Nicola: Würde ich heute nicht mehr machen!
Lisa: Meine nächste Frage lautete: Denkst du, durch das Internet oder durch soziale Medien ist es einfacher geworden, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten oder schwieriger?
Erik: Einerseits ist es einfacher, also Freundschaften zu schließen, aber aufrechtzuerhalten -- das ist die Frage.
Annika: Wenn es um den Freundschaftsbegriff geht, weichen die [sozialen Medien] den, glaub ich, ein bisschen auf, aber eigentlich würde ich eher sagen, dass die helfen, gerade weil man ja heutzutage öfter mal umzieht oder so und man kann halt sehr leicht Kontakt halten darüber.
Lisa: Ich überlege nur, ob manchmal man sich so darstellt auf ‘ne Weise, die dann vielleicht anderen unsympathisch wird oder man sich nicht so zeigt, wie man wirklich ist, und dadurch also auch viel Neid entsteht oder auch generell ein Mangel an echter Kommunikation.
Lisa: Meine Schwester sieht das ähnlich wie ich:
Inga: Also es ist eher wie so ’n Konkurrenzkampf, wie ‘n Wettbewerb, find ich, mittlerweile, Facebook und Instagram und so – wer hat die besten Fotos, wer sieht am besten aus, wer ist am weitesten gereist, wer hat am meisten erlebt, und das ist alles so, so richtig fake. Find ich 'nen bisschen traurig, weil mit richtigen Freunden sollte man sich ja so zeigen, wie man wirklich ist.
Christina: Also ich hab auch Freundschaften übers Internet schon geschlossen, indem man in irgend’nem Kontext sich kennengelernt hat und sich dann geschrieben hat und sich dann so sympathisch war, dass man sich dann auch öfter getroffen hat, dann war aber, glaub ich, dieser Prozess dann aber wirklich, dass die Freundschaft gewachsen ist, doch eher dieser persönliche Kontakt. Das Internet war also nur der Auslöser, der Punkt, wo man aufeinandergetroffen ist. Und was ich am Internet aber gut finde, und weshalb ich zum Beispiel auch nicht – wie viele – Facebook verteufle, sondern es schon immer noch als positiv für mich sehe, ist, dass das Internet sehr gut ist dafür, Freundschaften zu pflegen mit Menschen, die weit weg sind, die man vielleicht aus ‘ner anderen Zeit [kennt], die man vom Studium her [kennt], oder die man irgendwo mal kennengelernt hat, und die weit weg sind, [da] ist es ‘ne gute Möglichkeit – das ist bei mir oft über Facebook, das ist aber auch über WhatsApp – dass man auf die Art Freundschaften einfach pflegen und erhalten kann. Und ich bin immer etwas befremdet, dass das das Telefonieren abgelöst hat, weil ich früher auch immer gerne telefoniert habe und auch das Gefühl habe, ich würde eher auch dazu neigen, mal schnell den Hörer hochzunehmen und wen anzurufen und ich merke aber vielen meiner Freunde an, dass sie sich durch das Internet total abgewöhnt haben, zu telefonieren. Man hat sich so dran gewöhnt, dass das Telefonieren nicht mehr normal ist, dass man sich eigentlich, jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, gestört fühlt oder sich erstmal drauf einstellen muss.
Lisa: Aber ja, ich find’s halt voll schön, wenn Freunde das machen und ich denk', das ist irgendwie so angenehm, wenn man mal einfach spontan ist. Also wenn ich mit Freunden halt nur über SMS Kontakt hab, ja, irgendwann spürt man dann schon ‘ne gewisse Distanz, find‘ ich. Und wenn man dann manchmal tagelang auf ‘ne Antwort warten muss – selbst wenn’s nur ‘ne ganz kurze Nachricht war – dann fühlt man sich auch blöd. Ich finde, also entweder dieser direkte Kontakt oder auch die Stimme dann zu hören, das ist schon ganz anders, ne?
Christina: Ja, auf jeden Fall. Also ich kenn’s aus dem Studium, da war’s völlig normal, dass -- wenn man in der Gegend war von Freunden -- dass man, wenn man Zeit hat, mal klingelt und kurz auf ‘nen Kaffee vorbeischaut. Das war einfach normal, und wenn dann derjenige keine Zeit hatte, dann war’s auch okay, aber inzwischen würde einem das nie mehr einfallen, bei irgendwem vorbeizuschauen, und in der nächsten Stufe ist auch einfach Anrufen schon so was, wo man denkt: „Kann ich das jetzt machen?“ Also, das ist ganz komisch, irgendwie distanziert sich das immer mehr.
Lisa: Lisa Marie und ihre beste Freundin haben dafür eine gute Lösung gefunden. Da ihre beste Freundin in Deutschland wohnt und sie selbst in Irland, können sie sich leider nicht mehr so häufig treffen, wie sie es gerne würden. Aber sie haben sich ein anderes gemeinsames Ritual überlegt:
Lisa Marie: Wir haben seit ein paar Wochen, was ich total schön finde, ein Telefondate für jeden Sonntag, weil wir einfach gemerkt haben, dass wir – obwohl wir es total genießen zu telefonieren und uns auch immer natürlich viele Sprachnachrichten schicken und so – dass es trotzdem manchmal ewig lang gedauert hat, bis wir durch volle Terminkalender wirklich ein Gespräch führen konnten, und dann haben wir einfach gesagt, okay, wir machen das jetzt jeden Sonntag, dann ist das einfach der Tag, an dem man sich die Zeit auch bewusst nimmt. Und das find' ich total schön, wenn man so kleine Rituale auch hat.
Lisa: Und das war der erste Teil unserer Episode zum Thema Freundschaft. Wenn euch dieser Podcast gefällt, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr ihn an andere Deutschlerner weiterempfehlen oder mir in eurer Podcast-App eine Bewertung hinterlassen würdet. Vielen Dank. Macht’s gut, bleibt gesund und bis demnächst!