Transkript - Leben im Ausland, Teil 2

Lisa: Hallo und herzlich willkommen zum spoken german podcast. Mein Name ist Lisa, ich bin Deutschlehrerin und ich möchte euch mit diesem Podcast helfen, euer Hörverständnis zu trainieren. In dieser zweiten Folge zum Thema erzählen euch meine Freunde Tonia, Lisa Marie, Vladi, Nicola, Christina und Jasmin von ihren Auslandserfahrungen. Hier ist Tonia:

Tonia: Also, das erste Mal so länger im Ausland war ein Praktikum meines DaF-Studiums, das war an der Columbia University New York. Da war die Motivation natürlich New York. Da wollte ich unbedingt hin. War zwar leider unbezahlt, aber war 'ne tolle Erfahrung. Dann war ich ein Semester in Greensboro in North Carolina, und ja, nach dem Studium bin ich irgendwann in England hängen geblieben, einmal ein Jahr in Portsmouth im Süden Englands, als ja, so 'ne Art teaching assistant, und dann 2017 bis 2018 dann in London. Da hab ich unterrichtet und auch [ein] bisschen DaF koordiniert. 

Lisa: Welche kulturellen Unterschiede hast du so festgestellt?

Tonia: Die Amerikaner sind halt so offen und ja, kommen so auf dich zu und freundlich immer. [Es] hat natürlich 'ne Weile gedauert, bis man gemerkt hat, das ist vielleicht nicht immer so ehrlich ist. Aber ich fand’s nett, ja. Also es war… im Gegensatz zu Deutschland waren die Leute immer freundlich zu dir und haben „Hallo“ gesagt auf der Straße manchmal, auch auf dem Campus dort, das kannte ich dann hier nicht so. Also, klar, gibt’s nette Leute überall, ich sag ja nix, es sind ja Stereotype, aber so offen kannte ich das jetzt nicht aus Deutschland. Und in England, die sind auch sehr freundlich, aber schon so’n bisschen distanzierter. Und diese britische Art, sehr, wie soll ich sagen, manchmal zu höflich. Ich glaub, da hab ich gedacht: Hmm, jetzt seid doch ein bisschen… regt euch doch [ein] bisschen auf! Also, die waren sehr beherrscht, viele Leute. Was ja auch toll ist, ja, keiner regt sich da so wirklich auf. 

Es war schon 'ne tolle Erfahrung und auch die Jobs haben mir immer gut gefallen. Also, man arbeitet viel, auch bis abends, ja. Da war immer jemand im Büro. Das war anstrengend. Aber dadurch, dass der Job eben Spaß gemacht hat und die Kollegen superlieb waren, hab ich das eben als gute Erfahrung mitgenommen. Was ich vor allem in London, aber auch in Portsmouth nicht so toll fand, oder wo ich mich dran gewöhnen musste, ist eben dieses WG-Leben. Klar, gibt’s hier auch. Aber eher Studenten-WGs. Und dort sind die alle Ü-30, also weil man sich das eben nicht leisten kann. Ne eigene Wohnung, das war nicht drin, obwohl das Gehalt echt ganz gut war. Also, das war nix für mich. Ich hatte zwar meine Privatsphäre in meinem Zimmer, aber da ist alles schon möbliert und diese so hässlichen Teppiche, die gleichen weißen Teppiche. Wir hatten immer Witze gemacht, mit meiner Schwester, ja, als wir die Wohnung zusammen suchten, „Guck mal, wieder dieser obligatorische hässliche helle Teppich oder braune Teppich!“ Man muss vielleicht dazu sagen, ich bin auch nicht mehr 20, also, ich glaub, wenn jemand so’n College-Student ist, das waren ganz viele aus Spanien und Griechenland, die finden’s klasse, ja. Ich meine, ich liebte es auch. Die Stadt ist voll schön. 

Ich hätte halt noch die Option Griechenland, weil ich die Sprache spreche, meine Eltern eben aus Griechenland kommen. 

Lisa: Gibt es irgendwelche bestimmten Sachen, die du so aus Deutschland vermisst, wenn du im Ausland bist?

Tonia: Brot! Ich liebe Brot. Ja, also meistens sind‘s wirklich Lebensmittel, ne?

Lisa: Hier ist Lisa Marie:

Lisa Marie: Also, ich lebe in Cork, im Süden von Irland, und bin dort zum ersten Mal 2012 hingekommen, als ich einfach für ein halbes Jahr mein Englisch verbessern wollte, und hab mich dann total in den Ort und in das Land und die Kultur verliebt und war letztendlich zwei Jahre dort, bin dann wieder zurück nach Deutschland, um zu arbeiten und zu studieren, und bin dann aber auch immer wieder zum Urlaub zurück, hab Freunde besucht und so weiter, und dann hab ich meinen Freund kennengelernt, der von hier kommt, und dann bin ich nach dem Studium sofort wieder zurückgezogen, und jetzt bin ich seit anderthalb Jahren wieder hier und hab gerade ein Haus gekauft, mit meinem Freund zusammen.

Lisa: Was genau liebst du an dem Land?

Lisa Marie: Am meisten auf jeden Fall die Leute, weil ich das Gefühl hab, dass die einfach ne besondere Wärme und Herzlichkeit haben und ja, einfach noch ein bisschen netter zueinander sind als an vielen anderen Orten. Ich glaub, [das] liegt auch immer noch ein bisschen dran, dass es ein kleineres Land ist. Weil ich ja aus Deutschland komme, was so’n bevölkerungsdichtes Land ist und auch irgendwie ja wirtschaftlich so stark und so produktiv und alles, das wirkt sich natürlich auch irgendwie aus, auf die Gesellschaft und auf die Menschen. Ja, ich find’s hier halt irgendwie angenehmer, dass die Leute sich manchmal selbst nicht allzu ernst nehmen die ganze Zeit und ja, halt alles noch so’n bisschen gemütlicher geht. 

Was ich sehr schön finde, ist auch die Offenheit und Toleranz und Neugier, die es gibt gegenüber anderen Nationen. Ja, in Deutschland ist es ein sehr kontroverses Thema, was ich persönlich sehr schlimm finde und ja, da bin ich ziemlich froh, dass das in Irland nicht so ist.

Lisa: Ja, das stimmt. Gibt es Dinge, die du aus Deutschland vermisst, also abgesehen von deinen Freunden und deiner Familie?

Lisa Marie: Ich komm halt aus nem sehr kleinen Ort, wo einfach dieses Gemeinschaftsgefühl sehr stark war, also dass man zum Beispiel Mitglied in Sportvereinen war oder in Clubs und Gruppen und so weiter, und dadurch auch immer ganz viel ins soziale, ins gemeinschaftliche Leben eingebunden war, und hier vermiss ich das gerade noch ein bisschen. Also, ich weiß nicht, ob’s dran liegt, dass ich noch nicht so lange wieder hier bin, aber ich hab das Gefühl, dass sich das Leben oft, also gerade wenn die Leute Kinder haben, dann sehr auf die Familie und auf Zuhause konzentriert, und das vermiss ich aus meinem Leben in Deutschland, also so da, wo ich aufgewachsen bin, das halt sich-sehr-oft-sehen, und sehr-viel-zusammen-machen, das machen meine Freunde hier irgendwo nicht so viel. Und die Sonne vermiss ich auch! Ja, also es stört mich nicht so arg, das Wetter ist auch wirklich gar nicht so schlecht, wie man immer denkt! Manche Leute denken ja, es regnet absolut immer hier. Aber es ist schon halt einfach kühler, ne! Also, du hast die Sommer nicht so lang und nicht so warm wie zuhause, und manchmal lieb ich das, weil’s der Natur auch irgendwas Raues und Ursprüngliches gibt und ich mich hier der Natur viel näher fühle als in Deutschland. Und wenn das Klima so wäre wie in Italien oder in Spanien, dann wären die Strände auch so voll mit Touristen und mit Hotels, und das find ich superschön, dass es nicht so ist. 

Was mich überrascht hat, war, wie sehr Irland, weil’s ja ein sehr katholisches Land – ich weiß jetzt gar nicht, ob ich „ist“ oder „war" sagen soll – also die Kirche hat jetzt nicht mehr so viel Einfluss wie es früher war. Aber ich merk' immer noch ganz stark, wie sehr die Leute davon geprägt wurden. Ich denk', das wird in zukünftigen Generationen jetzt immer weniger werden, aber dass halt bestimmte Themen wie... ja, Sexualität ist, find ich, ein sehr gutes Beispiel, also dass da einfach so sehr viel irgendwie schambehaftet ist. Das find' ich in Irland superinteressant, dass die auf der einen Seite ja jetzt Abtreibung entkriminalisiert haben, und auch als eins der ersten Länder voll die gleichgeschlechtliche Ehe, also auch wirklich gleichberechtigt, anerkannt hat. Also, auf der einen Seite gibt’s diese großen Modernisierungen in der Gesellschaft, aber auf der anderen Seite sieht man auch, dass die Leute sehr davon geprägt sind. Also, zum Beispiel bei meinem Freund oder seinen ganzen Freunden, da wär das jetzt zum Beispiel so, wenn wir bei seinen Eltern zuhause übernachten würden, dass wir auch auf jeden Fall noch in getrennten Zimmern schlafen müssten. Ja, oder dann auch, dass sich in Fitnessstudios und so dann alle getrennt in Kabinen umziehen und so, während man in Deutschland ja auch nackt in der Sauna ist und so weiter. Das find' ich noch als ziemlich großen Unterschied, ja. 

Lisa: Ja, das ist interessant.

Lisa Marie: Wie man mit dem Körper und Sexualität und so was umgeht, ja. 

Lisa: Hier ist Vladi:

Vladi: Geboren bin ich in Bosnien, und da hab ich 18 Jahre lang gelebt. Danach bin ich nach Kroatien gezogen, da hab ich zehn Jahre verbracht. Und dann drei Jahre in Irland und jetzt bin ich in Deutschland.

Lisa: Welche kulturellen Unterschiede sind dir so aufgefallen?

Vladi: Gastfreundschaft wird bei uns großgeschrieben, überall im Balkan. Irland, da hat mich auch irgendwie die Aufgeschlossenheit ziemlich überrascht, muss ich sagen. Negativ - ich hätt nicht gedacht, dass Irland so teuer ist. Und ja, Deutschland ist noch mal so ne ganz andere Geschichte. Ja, dass die Deutschen so [ein] bisschen kälter sind als zum Beispiel Leute vom Balkan oder Iren, das hatte ich eigentlich schon gewusst, und noch ein Stereotyp, das viele von den Deutschen haben, ist, dass sie keinen Sinn für Humor haben. Ich würde dem nicht zustimmen, aber so komplett falsch ist es auch jetzt nicht.

Lisa: Es gibt leider nicht so viele gute deutschen Komödien, ne? Daran sieht man’s ja. 

Vladi: Das auch… wobei, Ausnahmen gibt’s da natürlich auch. 

Lisa: Was hat dir in Irland am besten gefallen?

Vladi: Das Lässige, Lockere an Dublin, die Menschen, die ich da kennengelernt habe, den Job fand ich eigentlich auch ziemlich cool. Nach 'ner Weile ist Dublin so ne zweite Heimat geworden und da hab ich mich wirklich zuhause gefühlt.

Lisa: Was hat dir dort nicht so gut gefallen?

Vladi: Die Sicherheit, die man in Deutschland hat, hat da gefehlt, [mit] Rentenversicherung, Krankenversicherung, und allem möglichen. 

Lisa: Was ist dir in Deutschland noch so aufgefallen?

Vladi: Manchmal bin ich so baff von der Unfreundlichkeit hier. Ich hatte teilweise solche schlimmen Erfahrungen mit Kellner[n] insbesondere, so unfreundliche Kellner wie hier hatte ich nirgends. Ich will auch nicht sagen, dass alle Deutschen unfreundlich sind, überhaupt nicht, also so zum Beispiel bei mir auf der Arbeit, mit [ein] paar Ausnahmen oder einer Ausnahme, sind alle supernett.

Lisa: Was gefällt dir in Deutschland?

Vladi: Wenn irgendwas erledigt werden soll, dann wird das auch erledigt. Wobei, jetzt hab ich mit Handwerkern eine komplett andere Erfahrung machen müssen. Diese Ausnahmen… Aber die Tendenz ist, dass halt Sachen erledigt werden. Diese Effizienz bei den Deutschen find ich eigentlich meistens sehr positiv. Und dann, also, wenn ich Deutschland mit Irland vergleiche, also 'ne bisschen oberflächliche Sache, aber halt so die Einkaufsmöglichkeiten in Deutschland sind viel besser und auch was das Essen angeht. Insbesondere als Veganer hat man hier zum Beispiel wirklich [eine] supergute Auswahl an veganen Produkten. Also, mir gefällt’s hier auf jeden Fall und hier würd‘ ich jetzt auch bleiben. 
Was mich überrascht hat: Deutsche sind besessen von Eiscreme. An jeder Eisdiele sind superlange Schlangen, [da] denk ich mir so: „Boah, ist das Eis jetzt so lecker, oder [was]?“ Keine Ahnung!

Lisa: Nachdem wir uns über die Beliebtheit italienischer Eiscafés in Deutschland austauschten, fiel mir ein, wie unterschiedlich die Cafés in Italien und Deutschland sind und Vladi erzählte mir, dass es in Cafés in Bosnien und Kroatien meist nichts zu essen gibt, sondern nur Getränke – anders als zum Beispiel in Deutschland.

Lisa: Ich find’s auch witzig, dass zum Beispiel [in Italien] … also, ich find den italienischen Kaffee immer am besten und ich find das aber dann so interessant, dass da eigentlich niemand sich ins Café setzt, sondern einfach schnell im Stehen 'nen Espresso trinkt und dann wieder geht. Das ist da überhaupt nicht üblich, irgendwie so 'ne Cafékultur, während in Deutschland, ist [das] schon verstärkter, ne?

Vladi: Schon, aber das ist dann wiederum ein deutlicher Unterschied [zu] dem, was ich aus Kroatien und Bosnien kenne. Das ist immer so gleich mit Essen verbunden, und diese – wovon ich denke, dass es halt diese deutsche Effizienz ist – also, die gehen nicht nur Kaffee trinken, „wenn wir dann schon uns zusammensetzen und Kaffee trinken, dann wollen wir jetzt auch etwas essen!“ 

Lisa: Aber meistens Kuchen dann!

Vladi: Kuchen auf jeden Fall! „Und wenn, dann können wir auch gleich zu Mittag essen und irgendwie… Dann muss ich zuhause nicht kochen!“

Lisa: Hier ist Nicola, die ich seit meiner Schulzeit kenne:

Nicola: Ich war 2008 für drei Monate in Südafrika, und zwar mit einer Freundin zusammen, nach dem Studium, und wir haben zwei Monate dort gearbeitet, morgens in einer Schule und nachmittags in einem Kinderheim für Mädchen. Also, die erste Nacht in Kapstadt, ich hatte so Heimweh, wenn mir einer ein Rückflugticket gegeben hätte, ich wär sofort zurückgeflogen! Ich war so, so dankbar, meine Freundin Miri dabei zu haben. Wir hatten aber getrennte Zimmer, also jeder hatte ein Zimmer für sich, wir haben in einem YMCA gewohnt, mit vielen anderen Studenten, auch internationalen Studenten zusammen, so dass das wirklich ein ganz toller Ort für uns war, um Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Wenn man zu diesem YMCA kam, musste man durch drei gates, um überhaupt erstmal ins Zimmer zu kommen. Und das ist so das erste, was mir einfällt, was ich anders erlebt habe als zum Beispiel jetzt in Deutschland, dass man nen ganz anderes Unwohlsein hat, was die Sicherheit angeht. Also, wir wurden zu Anfang von den Mitarbeitern des YMCA sehr gut darauf vorbereitet, was wir in Ernstfällen zu tun haben. Aber das war einfach 'ne Form des Schutzes und der Besorgnis und am Ende der drei Monate ist uns nichts passiert. Ich hab in keiner Situation starke Angst gehabt. Es ist definitiv so, dass man vorsichtig sein muss. So war’s zumindest 2008, da hat sich noch mal ein bisschen was in Kapstadt damals getan, weil die Weltmeisterschaft da in den Startlöchern war. Es war zu dem Zeitpunkt Winter in Südafrika, [da] war’s auch ab 17 Uhr dunkel. Und sobald es nun mal dunkel ist, ist es einfach gefährlicher, auf die Straße zu gehen. Und wir haben unheimlich viel gelesen! Ich glaub, ich hab noch nie so viel gelesen wie in Südafrika. Ich hab mich da schon sehr eingeschränkt gefühlt in der Art, mich zu bewegen. Und ich hab natürlich meine Familie vermisst und meinen Freund. Da war es auch 2008 noch gar nicht so mit Smartphone und allem, so dass wir wirklich über Telefonkarten telefoniert haben, und hin und wieder mal ne SMS, und wir sind sogar noch ins Internetcafé gelaufen, um da dann E-Mails zu schreiben.

Ein wunderschönes Land, man kann dort wunderbar reisen, unheimlich herzliche Leute, ganz leckeres Essen. Die township tour gehörte irgendwie dazu, aber es war schon sehr krass, das alles zu sehen, was da für Armut ist und in welcher Größenordnung. Das war schon sehr beklemmend. Durch das Buch von Nelson Mandela ist mir dann deutlich geworden, wie viel Schlimmes da angerichtet wurde, von Europäern, von Weißen.  

Die Arbeit in der Schule war unglaublich abwechslungsreich und die Kinder dort hatten teilweise keine Berührung mit Weißen im Vorfeld. Die wollten meine Haare anfassen, die haben mich immer wieder gefragt, warum ich so lange Haare hätte und was meine Mutter mir zu essen geben würde, weil das so wichtig dort war, schöne Haare zu haben. Liebenswert und aufgeschlossen hab' ich die Kinder dort erlebt. In der Schule war’s noch stärker, da war’s so, dass man wirklich froh war, dass wir da waren, wir durften kleine Gruppen übernehmen. In dem Kinderheim, das war überfüllt von Freiwilligen. Da waren gefühlt 20 Freiwillige auf 20 Kinder. Und wir sind da aber, wie es so typisch deutsch ist... man hatte uns gesagt, wir sollen um 14 Uhr da sein und wir waren Punkt 14 Uhr jeden Tag da! Und wir wurden nie gebraucht, nie. Und alle anderen volunteers, die kamen, wann sie wollten, gingen, wann sie wollten, und wir standen immer [um] 14 Uhr pünktlich auf der Matte, haben sogar noch 'nen Zug eher genommen, damit wir ja pünktlich sind. Und die haben uns angeguckt, und ich glaub, die haben sich gefragt, „was wollen die hier?“

Lisa: Hier ist Christina, die ich vor einigen Jahren in ihrer Wahlheimat Berlin kennenlernte: 

Christina: Ich hab Amerikanistik studiert, hab auch zwischendurch, als ich dann Paul Auster so gemocht hab, da hatte ich dann 'ne Zeitlang so 'ne romantische Vorstellung von … „ich lebe irgendwo in New York, in so‘m netten Apartment, mit so 'ner Feuerleiter dahinter,“ und da hatte ich so kurzfristige romantische Fantasien. Zumindest hätte ich damals die Chance gehabt, bei unserem Austauschprogramm mit der Partneruni in Amerika, 'nen Austausch [ein] halbes Jahr oder ein Jahr, zu machen. Das wär nur leider nicht in New York gewesen, sondern in Athens, Georgia. Und dann hab ich irgendwie mir gedacht so, „ach, nee.“ Nee, und deshalb ist mit mir und Amerika dann irgendwie doch nix geworden. 

Also, bei uns in der Familie war es spannenderweise so, dass in unserer Kindheit wir gar nicht viel im Ausland waren. Wir hatten 'ne Ferienwohnung an der Nordsee, und sind deshalb dort immer zwei-, dreimal im Jahr gewesen, und eben dafür aber auch kaum woandershin verreist.

Das erste Mal, dass ich im Ausland war, da war ich schon 17, Schüleraustausch in Amerika. Das war Shaker Heights, Ohio. Damals fand ich es sehr spannend, im Vergleich Deutschland - USA, zu sehen, dass so dieses typische High-School-Leben doch ne ganz andere Struktur hatte als bei uns und [es] doch viel mehr noch diese Cliquenbildung gab damals. Dann war’s auch so, dass man tatsächlich so’n bisschen dort auch mehr so diese Rassentrennung gesehen hat. Also, es war dann wirklich so, dass es verschiedene Stadtteile gab für unterschiedliche Ethnien. Also, wirklich, dass es dann hieß, okay, das hier ist der weiße Teil, und in dem anderen Teil wohnen eher die farbigen und die asiatischen Bewohner von Shaker Heights, und das war schon sehr irritierend für uns.

Lisa: Christina erzählte mir, wie sie einen Monat in Paris verbrachte, nachdem ihr damaliger Freund sie dazu inspirierte, einen Französischkurs zu machen:

Christina: Er hatte dort nach seinem Studium [einen] Sprachkurs gemacht und das klang für mich irgendwie nach 'ner super Idee, und hab dann dort nen Monat nen Sprachkurs gemacht an der Alliance Française, und hatte auch so’n kleines Zimmer unter’m Dach, so’n richtiges Chambre de Bonne, das war total schön. Also, ich hab auch ein paar Leute vor Ort gekannt und die Klasse war super, mit der haben wir viel gemacht, und also Paris war wirklich so die Stadt, die mich so richtig umgehauen hat, und [ich] hab aber dann auch sehr stark gemerkt, dass es unglaublich schwer ist, wenn man dort lebt, irgendwie auch Anschluss zu finden. Es war dann doch eher das Gefühl, es ist 'ne wunderschöne Stadt, aber dort leben hätte ich mir dann doch nicht vorstellen können. Ich seh schon, dass ich mich so in südlichen Ländern auch total wohlfühle, und find' die Leute vor Ort auch supernett, und find auch teilweise die Lebenseinstellung, so’n bisschen dieses Lockerere, auch gut, aber ich merk' halt auch, dass ich typische Deutsche bin und ja einfach auch vieles vor Ort mir auch echt auf den Keks gehen würde. Und ich glaub, ich bin da einfach zu spießig. Also, ich mein', so viele Probleme wie ich hier in Deutschland auch sehe und so viel hier auch schiefläuft, aber teilweise weiß ich’s dann schon irgendwie zu schätzen, dass hier doch vieles in geregelten Bahnen läuft. 

In Englisch kann ich mich sehr flüssig unterhalten, aber trotzdem so die Nuancen und die kleinen Insider und so dieses wirklich[e] Verständnis füreinander und über Gefühle sprechen und so was, das geht da doch irgendwie am besten in der eigenen Sprache.

Berlin ist so das Ausland von Deutschland. Also, irgendwie was Besondereres, was Spezielleres, was Internationaleres, Unkonventionelleres, und ja, vielleicht bin ich deshalb hier gelandet. Für alles sonstige Ausland bin ich wahrscheinlich aber dann doch wieder zu deutsch. Und mir fehlt irgendwie dann doch so zu sehr der Abenteuergeist oder der Entdeckergeist.

Lisa: Hier ist Jasmin, die ursprünglich aus Österreich kommt und die ich vor einigen Jahren in Dublin kennenlernte:

Jasmin: Wo hab ich gewohnt? Natürlich in Österreich. Als Kind dann mal ein Jahr in Afrika, Burkina Faso. Vier Jahre in Dublin, und jetzt zwei Jahre in Stockholm.

Lisa: Wie waren deine Erfahrungen in Burkina Faso?

Jasmin: Es war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich kann mich an [ein] paar Dinge gut erinnern. Ich war in 'ner afrikanischen Tanzgruppe und die Menschen haben gelacht – wahrscheinlich haben sie mich ausgelacht, aber das war mir egal. Ich hab mich unglaublich bemüht. Wir hatten das Glück, wir konnten uns mehr leisten als die, die dort wirklich gewohnt haben. Einmal in der Woche sind wir ins Kino [gegangen]. Und ich kann mich noch daran erinnern, dass wir einmal im Busch geschlafen haben. Also, wir haben ja in der Hauptstadt gewohnt und wir sind dann mal Stunden rausgefahren, zu Bekannten von Bekannten. Und da haben wir dann bei denen übernachtet, aber das war so im Busch wirklich. Und wir als Kinder machten uns ja keine Gedanken darüber, und meine Mama hat sich auch nicht viele Gedanken darüber gemacht, aber wir waren ja wirklich in der Wildnis und da hätte [sich] ja alles Mögliche anschleichen können. Meine Schwester ist von nem Krokodil gebissen worden. 

Lisa: Gott!

Jasmin: Alles gut. Das ist aber das Einzige, was uns passiert ist. 

Lisa: Wo ist sie gebissen worden?

Jasmin: In der Wade. Zur Verteidigung des Krokodils: Es war blind!

Lisa: Gibt‘s irgendwas an Essen, was du vermisst? 

Jasmin: Oh, die ganzen exotischen Früchte, Mango und Papaya! Papaya, ich hab seit Jahren keine Papaya mehr gegessen!

Lisa: Was hat dir in Dublin gefallen?

Jasmin: Dublin ist ne Großstadt, aber die Häuser sind flach und es ist so weit ausgebreitet. Andere Großstädte sind von der Einwohnerzahl her groß, von der Fläche her klein, das heißt, die Häuser sind hoch und nahe aneinandergebaut, man fühlt sich eingeengt. Das hat mir an Dublin gut gefallen, dass alles so weit und offen und flach war. Die Iren sind supernette Menschen.

Lisa: Gibt es etwas, was du ganz besonders vermisst aus Irland? 

Jasmin: Ich brauch immer relativ lange, um mich [irgend]wo wohlzufühlen. Und ich hab vier Jahre in Dublin gewohnt und ich hab gerade erst angefangen, mich wohlzufühlen. Mit allem, mit der Landschaft und meinen Freunden und meinem Job. Oh Gott, ich liebte meinen Job. Und das hat alles gepasst dann. Und das vermiss ich natürlich. Das dauert hier noch ein bisschen.

Lisa: Was hat dir in Irland nicht so gut gefallen?

Jasmin: Das Chaos, das administrative Chaos. Wir in Österreich lieben Regeln. Es ist einfach so. 

Lisa: Dann erzähl mir noch ein bisschen von Schweden.

Jasmin: Schweden ist ganz anders als Irland. Administratives Zack-Zack, alles hat seine Ordnung, [das] gefällt mir. Was mir auf die Nerven geht, ist, dass man überall eine Nummer ziehen muss. Und wenn ich sage überall, dann mein ich überall. Und das geht mir auf die Nerven. Weil ich mein, man ist doch erwachsen genug, um zu sagen, „oh nee, die Frau war vor mir.“ Funktioniert in jedem anderen Land auch! Man zieht überall ne Nummer. Beim Arzt, wenn ich nen Termin hab, muss ich trotzdem 'ne Nummer ziehen. 

Die Schweden sind sehr zurückhaltend, sehr introvertiert. Die würden einen auch nie ansprechen, außer man hat ein Kind. Aber ansonsten… sehr auf Abstand – jetzt, in Corona-Zeiten, komischerweise nicht mehr. Da scheint alles weg zu sein, komischerweise. 

Lisa: Wer ist dir denn generell sympathischer oder passt mehr zu deinem Wesen, die Iren oder die Schweden?

Jasmin: Eigentlich die Schweden, weil ich bin selbst introvertiert und ich fühl mich wohler, wenn ich weiß, dass mich niemand Fremder von der Seite anquatschen kann. Die Iren sind super, superlieb, aber man muss extrovertiert sein, um sich unter Iren wohlzufühlen. 

Lisa: Gibt es ein Land, das dir landschaftlich am besten gefällt?

Jasmin: Es ist schwer, weil… Irland gefällt mir irre gut. Aber die Landschaft in Schweden ist anders, aber auch traumhaft schön, mit den Seen, und überall ist Meer. Aber in jedem Land vermiss ich immer etwas von nem anderen Land. Ich hatte zuhause in Österreich Berge, überall Berge. Vor meinem Fenster hatte ich 'nen Berg. Berge, für mich, sind ein bisschen Sicherheit. 

Lisa: Fällt dir noch irgendwas anderes zu dem Thema ein?

Jasmin: Jeder sollte mal im Ausland leben, sechs Monate Studienzeit, ist egal. Einmal im Ausland leben, wo man von Null starten kann, einfach neu beginnen, egal, in welcher Hinsicht jetzt, wo einen niemand kennt und wo man in seiner Muttersprache auch mal fluchen kann und man weiß, es versteht einen niemand. Ein Hobby von mir.

Lisa: Und das war der zweite Teil unserer Episode zum Thema Leben im Ausland. In der nächsten Episode geht es um das Thema Lieblingsfilme. Wenn euch dieser Podcast gefällt, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr ihm in eurer Podcast-App eine Bewertung hinterlassen könntet und den Podcast mit euren Freunden teilen würdet. Vielen Dank! Bleibt gesund und bis bald!


Umgangssprachliche Ausdrücke 

auf den Keks gehen = (jemandem) lästig sein, (jemandem) auf die Nerven gehen 
Zack-Zack = sehr schnelles Erledigen einer Sache