Transkript - Episode 2: Neujahrsvorsätze

Nick: Ich hab mit meiner Schwägerin gesprochen letztes Jahr, und die sind am ersten Januar joggen gegangen und sie sagte, sie hat sich so geschämt, weil alle Leute jetzt glauben, am ersten Januar geht die joggen, was hat die denn wohl für Vorsätze! Und ich fand das so lustig, dass sie sich wohl beim Joggen gar nicht konzentrieren konnte, sondern immer nur geschämt hat und gedacht hat, sie trifft jetzt irgendwen, der könnte denken, sie müsste abnehmen oder sie müsste mehr Sport machen. Und am zweiten, hat sie gesagt, haben sie schon alles wieder über den Haufen geworfen. 

Lisa: Hallo und herzlich willkommen zur zweiten Episode des spoken german Podcasts. Ich heiße Lisa, ich bin Deutschlehrerin und ich möchte euch mit diesem Podcast helfen, euer Hörverständnis zu trainieren. In dieser Episode geht es um das Thema Gute Vorsätze. Wie beim letzten Mal habe ich ein paar Freunde und eine meiner Schwestern zum Thema befragt. Eben habt ihr meine gute Freundin Nicola gehört. Meine erste Frage an alle lautete: Was hältst du von guten Vorsätzen? Hier ist die Antwort meines Kumpels Vladi, der zurzeit in München wohnt:

Vladi: Wenn du irgendwas an deinem Leben ändern willst oder verbessern willst, dann mach’s einfach! Warum muss es zu Neujahr sein? Ich find das so dumm, ich hab das noch nie gemacht, und das ist auch so eine blöde Sache, von der ich erst irgendwann mit 20 erfahren habe, dass man so was macht!

Lisa: Meine gute Freundin Becky beschrieb die Wichtigkeit, zwischen den eigenen Wünschen und den Erwartungen unserer Mitmenschen zu unterscheiden:

Becky: Spannendes Thema. Bei Vorsätzen fällt mir ein, dass es ja auch, vorneweg, sehr interessant ist, wie man aufgewachsen ist. Vorsätze werden ja auch oft als Glaubenssätze von unseren Eltern übertragen, und die Frage ist dann, wie sehr man selber daran glaubt, ob das jetzt wirklich ein Vorsatz ist oder einfach so dahingesagt.  

Lisa: Meine österreichische Freundin Jasmin, die seit ein paar Jahren mit ihrer Familie in Schweden wohnt, sagte:

Jasmin: Gute Vorsätze sind ‘ne gute Idee, weil man sich ja ständig weiterbewegen muss, meiner Meinung nach. Sie sind ‘ne gute Idee, aber ich möchte einen Menschen kennenlernen, der den guten Vorsatz wirklich 365 Tage lang strikt einhält. 

Lisa: Ich fragte meine Freunde, ob sie irgendjemanden kennen, der gut darin ist, seine guten Vorsätze einzuhalten. Hier ist die Antwort von Annika, einer ehemaligen Kollegin:

Annika: Phhh, muss ich echt mal kurz überlegen. Ich glaub, ich kenne nicht so viele Leute, die gut darin sind!

Nick: Ich kenne auch, ehrlich gesagt, niemanden, der diese Vorsätze so gut umsetzt, dass man sagen kann, „Mensch, guck mal, am ersten haste [=hast du] gesagt, und jetzt hältst du es immer noch ein!“

Lisa: Da ich mir meine Vorsätze meistens aufschreibe, weil ich generell gerne Listen erstelle, fragte ich Jasmin, ob sie sich ihre Vorsätze auch aufschreibt. 

Jasmin: Wenn man gute Vorsätze aufschreibt, dann sind sie ja fix, dann steht‘s schwarz auf weiß. 

Ich: Stimmt.

Jasmin: Dann ist ja… dann muss man es tun!

Ich: Naja, ich glaub, ich habe schon viele meiner guten Vorsätze aufgeschrieben und trotzdem nicht eingehalten! [Aber man fühlt sich dann schlecht.]

Jasmin: Ja… Man fühlt sich ein bisschen mehr verpflichtet dem guten Vorsatz gegenüber. Also, ich mach sie eigentlich immer nur mündlich oder gedanklich mit mir selbst. Ich teile die normalerweise auch nie jemandem mit, weil das ist wie ein mündlicher Vertrag – das ist das Gleiche wie mit dem Aufschreiben: Man fühlt sich dann schlecht [wenn man den Vorsatz nicht einhält]!

Lisa: Zu meiner Überraschung hielten die meisten, die ich befragte, genau wie Vladi wenig von der Idee, sich ausgerechnet zu Neujahr neue große Ziele zu setzen. Nicola meinte, sie wäre dafür einfach zu faul:

Nick: Für mich persönlich… Ich bin eine unglaublich faule Socke und hab ‘nen echt großen inneren Schweinehund zu überwinden. Also, ich freue mich, dass ich wenigstens es schaffe, vegetarisch zu leben, weil ich das Gefühl hab, ich bin sonst in so vielem so inkonsequent! Ich hab ja sonst gar keine Grundsätze mehr in meinem Leben. Und deswegen… Für mich ist es wirklich unheimlich schwer, mir solche Vorsätze zu setzen. Und dann noch zum Jahreswechsel… Ich halte es wirklich schwierig für mich persönlich. Ich hab manchmal Situationen im Jahr, wo ich mir denke, „Na, jetzt muss ich aber mal…“, und dann mach ich das aber direkt. Dann mach ich das nicht unbedingt vom 31. auf den 1., sondern dann mach ich das am 16. Ich glaube, dass ich damit besser klarkomme. Wenn ich mir jetzt so diesen Stichtag setze, oder „ab Montag fang ich damit an“, dann hab ich es schon wieder vergessen.

Lisa: Hier ist die Antwort meiner Schwester Inga.

Inga: Ich mache gute Vorsätze, aber nicht zum neuen Jahr. Leute denken dann immer, „jetzt ist ein neues Jahr, jetzt fängt alles neu an“, aber das finde ich ehrlich gesagt Blödsinn, vor allem weil die meisten Leute Vorsätze haben, die sie sowieso nicht einhalten. Ich glaub, das Problem ist, wenn man gute Vorsätze hat am Jahresanfang, dann übertreibt man, dann hat man hinterher gar keine Lust mehr und dann hört man wieder auf.      

Lisa: Leo schien das ähnlich zu sehen.

Leo: Wir sehen das immer irgendwie immer so, wenn ein Jahr endet, dass man irgendwas hinter sich lässt und man komplett neu anfängt, wo das aber, denk ich, eigentlich ziemlicher Schwachsinn ist, weil… [die] Zeit läuft ganz normal weiter, es wird sich nichts ändern, es ist einfach nur, dass wir dann auf einmal versuchen… [dass wir denken], „jetzt ist das neue Jahr und jetzt muss ich mir neue Vorsätze und Ziele setzen.“ Und eigentlich sollten wir das immer machen und das nicht unbedingt jahresabhängig machen, aber ich denke, so wie wir alle aufwachsen und von der Gesellschaft her ist das einfach in unserem Kopf so eingetrichtert, dass ein neues Jahr quasi für neue Möglichkeiten steht.

Lisa: Auch Annika sagte, sie mache sich keine Vorsätze zu Neujahr.

Annika: Also tatsächlich fand ich es interessant, dass du mich gefragt hast, zu dem Thema etwas zu sagen, weil meine erste Reaktion war: „Ich bin nicht geeignet dafür, weil ich mach mir gar keine guten Vorsätze.“ Und dann hab ich meinem Freund davon erzählt und dann meinte er so: „Hä, stimmt doch gar nicht, du machst dir doch gute Vorsätze!“ Und dann hab ich so drüber nachgedacht und das stimmt. Also ich sag jetzt halt nicht, „ab dem 1. Januar ess ich keine Schokolade mehr!“, ne? Also ich mach das jetzt nicht von einem bestimmten Datum abhängig. Aber es ist schon so, dass ich mir Sachen vornehme… Das ist natürlich mit der Umsetzung dann so’n bisschen schwierig. 

Lisa: Ich begann, mich zu fragen, warum gute Vorsätze zur Neujahrszeit überhaupt noch so beliebt sind…

Lisa: Denkst du, dass es auch Menschen mehr motiviert, wenn sie wissen, viele, viele andere Menschen machen [sich] auch Vorsätze zur gleichen Zeit? 

Jasmin: Ja und nein. Ich glaub, es hilft nur, wenn man sich dann mit den Personen austauscht, immer wieder eincheckt und sagt: „Ich bin da, und ich hab das gemacht und ich hab das erreicht“, ohne jetzt böse zu sein oder zu sagen: „Ich bin besser als du!“

Lisa: Ja, einfach für die gegenseitige Motivation und Unterstützung, und nicht um anzugeben, sondern…

Jasmin: Genau. Und deshalb glaub ich, dass es in dem Fall viel leichter fällt, das auch einzuhalten. Und nein, weil man ja meistens alleine ist mit seinen guten Vorsätzen.

Nick: Was ich noch interessant finde, ist, dass irgendwie der Jahreswechsel – auch wenn ich dem nie ne große Bedeutung zugesprochen hab, was Partys angeht oder so viel Erwartung in den Silvesterabend gelegt hab, das hab ich nie – dennoch ist das ja irgendwie so’n magischer Moment, find ich. So’n Jahr geht zuende und was Neues beginnt. Deswegen find ich den Gedanken, darüber nachzudenken, was war letztes Jahr, was kommt im neuen Jahr, schon spannend und zu hören, was denken andere darüber.

Annika: Also eigentlich sind gute Vorsätze ja sinnvoll, ne? Weil man… also, sich ja eigentlich gute Ziele zu setzen, die gut für einen selber oder für Andere sind, das ist ja ne gute Sache. 

Lisa: Ich erzählte meiner Freundin Lisa Marie von Vladis sehr kritischer Einstellung zum Thema Neujahrsvorsätze und sie beschrieb mir ihre eigene Perspektive, die ich auch sehr interessant fand. 

Lisa Marie: Ich stimme ihm da grundsätzlich total zu, dass man das nicht an einem bestimmten Tag machen sollte. Ich find, das ist genauso unnötig, wie plötzlich am Valentinstag Blumen zu verschenken, wenn man es sonst nie tut. Ich mag das nicht, wenn ein bestimmter Tag oder eine bestimmte Zeit im Jahr plötzlich für Werte steht, die man eigentlich haben sollte, oder vielleicht halt auch nicht hat, aber dass es sich nicht so an einem Tag ändern kann. Aber gleichzeitig denke ich auch, vielleicht ist es auch einfach eine Gelegenheit zu reflektieren, ein Jahresende. Also, so würde ich das sehen, nicht mit… mir jetzt ganz viele Vorsätze zu nehmen, die dann Druck aufbauen, sondern vielleicht einfach die Gelegenheit mir selbst zu geben, zurückzuschauen – „Wie war das Jahr für mich? was hat mir gefallen? was habe ich gut gemacht? was könnte ich verbessern?“ oder: „was wünsche ich mir?“ Und einfach ein bisschen bewusster ins neue Jahr zu gehen, vielleicht auch auf eine Art und Weise, in der man ein bisschen nachsichtiger und sanfter zu sich selbst ist, damit es ein gutes Jahr wird und damit ich glücklich werde. Also ohne dieses ganze „Was muss ich erreichen?“, sondern: „Was möchte ich? Was wünsche ich mir? Mit was geht’s mir gut?“ 

Lisa: Was sind denn eigentlich eure Vorsätze und Ziele für die Zukunft?

Leo: Dass ich mir wieder mehr Zeit für die Sachen nehme, die mir Freude bereiten, die mich erfüllen. Ich will halt wieder mehr Fotografie machen, mehr kreative Fotografie, möchte halt mehr konzeptionelle Arbeit machen. Und ich hab so ‘ne ganze Liste von Ideen, Buchtitel quasi. Dafür will ich mehr nächstes Jahr definitiv mehr Zeit nehmen. Aber, wie gesagt, das hab ich mir jedes Jahr über die letzten zwei, drei Jahre schon gesagt, glaub ich, und ich muss einen Weg finden, das zu verwirklichen. Dann die Töpferei oder Keramik, was ich jetzt angefangen habe, macht mir mega-viel Spaß und da will ich halt definitiv wirklich mehr draus machen. Will mehr verreisen – hab jetzt schon zwei Trips für nächstes Jahr geplant – will vielleicht mehr für mich selber machen. Ein Punkt, den ich nächstes Jahr eigentlich auch starten will, ist, dass ich mal mit einer Therapie anfange – einfach, um meine Gedanken ein bisschen besser in Kontrolle zu bekommen, meinen Fokus richtig zu setzen und, wie gesagt, meine Prioritäten für mich selber zu finden. Tanzen wollte ich eigentlich lernen. Ich war jetzt bei so ’ner Zumba-Klasse, in die mich zwei Kolleginnen mit reingeschleppt haben und bin fast gestorben, weil ich dann schon keine Luft mehr bekommen habe und musste irgendwie so drei Songs aussetzen, weil es halt wirklich so Hardcore von Anfang an war. Aber das hat halt mega-viel Spaß gemacht. 

Annika: Ja, also die sind halt nicht fürs neue Jahr, weil ich hab halt … also dieses Italienischlernen hab ich mir halt vor ein paar Wochen gesetzt und Zeichnen wollte ich jetzt halt regelmäßig auf jeden Fall machen. Das hab ich zwei Wochen hintereinander gut gemacht und dann war ich abends aber immer so kaputt und hab dann lieber ne Serie geguckt. Obwohl das eigentlich auch voll entspannt und Spaß macht so, ne? Aber irgendwie ist das dann doch so ne Hürde, irgendwie, sich hinzusetzen, anzufangen, das auch wirklich ordentlich zu machen und so…

Ich: Das geht mir auch oft mit dem Schreiben… weil Schreiben… wenn ich einmal so in diesem Flow bin, dann macht’s mir so viel Spaß, aber trotzdem mach ich es zu selten. Komisch.

Annika: Ja, irgendwie diese Überwindung, damit anzufangen, ist ganz oft das Problem. Also mein Vorsatz ist auf jeden Fall, das zu verfolgen, dass ich das regelmäßig weitermache, weil mir das, glaub ich, für die Ausbildung auch was bringen wird auf jeden Fall, weil das ja auch viel nachher um Grafisches geht. Gute Noten in der Schule zu haben und meine Ausbildung erfolgreich jetzt abzuschließen. Mehr lesen mal wieder, ist auch so ein Dauerthema, weil die letzten Jahre, durch die ganze Arbeit, ich einfach nicht Raum [dafür] hatte zu lesen und irgendwie, was auch super-schade ist. Ich schreib auch eigentlich gern, das hab ich jetzt auch wieder gemerkt, weil ich jetzt halt auch mal wieder was schreiben musste. Also grundsätzlich, mich weiterzuentwickeln. Genau.

Lisa: Jasmin wollte mir ihre guten Vorsätze nicht verraten, da sie diese generell nicht mit anderen teilt, aber sie sagte, sie könne mir von einem ihrer persönlichen Pläne fürs neue Jahr erzählen:

Jasmin: Ich hab bestimmte Pläne fürs neue Jahr… Und wehe, du lachst!

Ich: Ich lach jetzt schon! 

Jasmin: Es wird nicht gelacht über meinen Plan für 2020! 

Ich: Nein, ich versprech’s!

Jasmin: Ich möchte gern einen Sixpack! … Okay, es muss kein Sixpack sein, es kann auch ein Vierpack ein oder ein Zweipack, aber es muss ein Pack sein. Ich glaub, ich mit ‘nem Sixpack seh komisch aus, aber ein Zweipack…

Ich: Ja, okay, das kann ich mir vorstellen. Ja, so leicht muskulös, nicht zu muskulös, aber…

Jasmin: Nee, ich möchte ein bisschen getont sein. 

Lisa: Becky las mir ihre Liste von letztem Jahr vor. Da stand ihr Ziel, jeden Tag jemanden zum Lächeln zu bringen. Da stand der wichtige Vorsatz, immer Zivilcourage zu zeigen und sich gegen Rechtsextremismus einzusetzen, und da stand der Wunsch, die emotionale und soziale Kompetenz ihres Kindes zu fördern. Das fand ich alles sehr, sehr schön. 

Lisa: Und das war der erste Teil unserer Episode zum Thema ‚gute Vorsätze‘. Ich hoffe, die Episode hat euch gefallen. In den nächsten Tagen veröffentliche ich Teil 2. Da geht es um typische Neujahrsvorsätze und es gibt Tipps zur Umsetzung unserer Ziele. Bis dahin wünsche ich euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute für 2020!