Transkript - Tod & Sterblichkeit
Lisa: Hallo und herzlich willkommen zum spoken german podcast. Mein Name ist Lisa, ich bin Deutschlehrerin und ich möchte euch mit diesem Podcast helfen, euer Hörverständnis zu trainieren. Für diese Spezialepisode habe ich meine Freundin Christina befragt. In jeder Spezialepisode wird euch jeweils eine*r meiner Freund*innen von einem ganz besonderen Hobby erzählen. In dieser Episode geht es um das Thema Tod und Sterblichkeit, denn Christina wird uns das Prinzip von sogenannten ‚Death Cafés‘ erklären, an denen sie in ihrer Wahlheimat Berlin teilnimmt und die sie inzwischen auch mitorganisiert. Hier ist Christina:
Christina: Death Cafés gibt es seit ca. zehn Jahren, und zwar wurden die von einem Herrn Jon Underwood in Großbritannien gegründet, mit ‘nem etwas traurigen Anlass, also, der hat erfahren, dass er eine tödliche Krankheit hat und er hat gemerkt, im nahen Familienkreis wurde natürlich darüber gesprochen, aber er hat gemerkt, dass auch gerade bei seinen Freunden und in seinem Arbeitsumfeld ‘ne große Scheu war, über das Thema und das Thema Tod und nahenden Tod, wie man sich darauf vorbereitet, zu sprechen. Dass viele Ängste hatten, dass viele gar nicht sich mit so’m Thema befassen wollten, das auch gar nicht auf sich beziehen wollten, und er hat sich da schon teilweise sehr isoliert gefühlt und daraufhin beschlossen, dass er es für wichtig hält, dass sich Menschen mehr mit dem Thema Tod beschäftigen. Und dann hat er erstmal in Großbritannien Death Cafés gegründet, also erstmal selber vor Ort bei sich, und nachdem das so ein großer Erfolg wurde, ist es jetzt in fast allen Ländern der Welt. Es gibt also etliche Death Cafés überall, wenn man auf die Seite deathcafe.com geht, kann man sich das mal anschauen, wo überall es die gibt. Und es wurde also sehr schnell ein großer Erfolg und wurde überall aufgegriffen und er hat es halt eben auch selber erlebt, dass es doch erstaunlich viele Menschen dann gab, die sich dafür interessiert haben, die das wahrnehmen wollten, und ja, inzwischen, wie gesagt, ist es eigentlich überall etabliert und in allen größeren und auch in vielen kleineren Städten findet man das.
Lisa: Und wie bist du da drauf gekommen? Oder was fasziniert dich da dran?
Christina: Also, es ist so, dass ich schon so als kleines Kind vom Thema Tod auf irgend‘ne Art, ja, nicht fasziniert, aber ich fand es schon interessant. Ich hab auch immer die Hans Christian Märchen gemocht, wo dann alle sterben. Und fand das irgendwie immer dieses Bild, dass die kleine Meerjungfrau im Schaum auf dem Meer aufgegangen ist, am Ende, oder auch so was, ein Märchen, was ja wirklich für manche ganz schlimm ist, Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, die ja dann wirklich die Schwefelhölzer sich anzündet und nochmal sich erinnert an die schönen Momente in ihrem Leben und am Schluss dann erfriert und stirbt… Und also wirklich eigentlich die tragischen Sachen, aber irgendwie… ich weiß nicht, wie konkret ich als Kind drüber nachgedacht hab, aber schon dieses: Da ist der Tod und das ist das Ende und was bedeutet das? Wir hatten auch sehr viele Haustiere. Wir haben sehr viele Fundtiere auch aufgenommen und Vögel und so großgezogen, von denen sind dann natürlich auch viele gestorben, ist ja leider so, also dass wir halt ständig Tiere begraben haben, also unser ganzer Garten war voll mit toten Tieren, aber meine Mutter hat das uns auch sehr gut vermittelt, und dass das eben so ist, und dass das zwar schon traurig ist, aber wir hatten dann schon immer so’n Bild von Tierhimmel und auch von meinem Opa, zu dessen Füßen dann unsere Dackel saßen, und die Vögel auf den Schultern, und ich hatte da also schon eine sehr schöne Vorstellung von und wir waren auch nicht sehr religiös, aber es war so ne ganz pragmatische, aber schon auch mit so ‘ner Faszination, so’n Verhältnis zu dem Thema. Naja, und dann war ich ja als Teenager zu Schulzeiten Grufti. Da zog sich das also weiter, die Beschäftigung mit diesem Thema, dann haben wir wirklich aber eher so’n bisschen ironisch auch auf Friedhöfen dann Zeit verbracht. Und dann spielt natürlich das Thema schon auch irgendwie ’ne Rolle, man beschäftigt sich auch damit. Und ich hatte das Gefühl eben dadurch auch, dass ich schon sehr offen damit auch umgegangen bin, mit dem Thema, und das ja auch oft ein Thema war irgendwie, dass ich dann ein ganz entspanntes und gutes Verhältnis so habe, hab auch irgendwie nie so wirklich, was schon einige auch im Death Café zum Beispiel erzählen, dass sie als Kinder sehr viel Angst vorm Tod hatten und da wirklich lange Phasen hatten, die für sie sehr problematisch waren, das hatte ich nie, sondern ich fand es eben einfach immer interessant und schon auch traurig, aber ich hatte auch nie direkt ‘nen Todesfall irgendwie im näheren Umfeld. Und hab dann aber gemerkt, als ich – jetzt muss ich mal überlegen, wie alt war ich da – 30, also schon ne ganze Zeit später, das war eigentlich der erste Todesfall im näheren Umfeld, das war, als meine Oma gestorben ist, und die war 97, und entsprechend also so, dass man auch das Gefühl hat, okay, sie hat ihr schönes Leben gehabt und es hat sich auch vorher das Leiden nicht zu lange hingezogen, aber zu dem [Zeitpunkt] habe ich dann gemerkt, das hat mich dann schon extrem mitgenommen und ich hab die ganze Beerdigung und die ganze Trauerfeier und so durch geheult und es war schon so dieser Verlust und dass dieser Mensch nicht mehr da ist – ich hab sehr an meiner Oma gehangen – und dieses ganze Erlebnis und wie ich das erlebt habe und wie ich sie auch vermisst habe, hat mir sehr gezeigt, dass ich theoretisch mit dem Thema gut klargekommen bin, aber praktisch, dass das dann noch mal was ganz Anderes ist, das zu erleben. Ein paar Jahre später ist dann auch der Ehemann von einer guten Freundin von mir ganz plötzlich mit 44 an ‘nem Schlaganfall gestorben. Auch das war dann nochmal sehr schockierend, weil das irgendwie auch so nah war, und man das Gefühl hat, okay, das kann mir jetzt auch passieren. Und das hat mich dazu gebracht, viel übers Thema Tod zu lesen, mir Bücher zu besorgen, mich damit zu beschäftigen, mich auch wirklich mal mit meiner eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen und das Thema auch wirklich emotional näher an mich heranzulassen, und sowohl durch mehr Wissen schaffen und mehr lesen und mich mehr damit beschäftigen, [als] auch wirklich das Thema mal für mich zu Ende zu denken, mich dem mehr zu nähern. Und dann kam es so, dass ich glaube, ich mal [auf] ‘nen Artikel gestoßen bin, und da wurde über Death Cafés berichtet. Da war ich auch gerade in Berlin und dann hab ich mal geschaut, im Internet, und festgestellt, aha, das gibt es auch hier. Und seitdem besuch‘ ich eigentlich das Berliner Death Café. Das wird hier über Meetup organisiert. Die Treffen sind regelmäßig einmal im Monat, und das mach ich jetzt so seit sechs Jahren, würd ich sagen, dass ich das besuche, und seit zwei Jahren hat sich’s jetzt ergeben, weil die Zihi, die das bisher immer als Host geleitet hat, länger im Ausland war, haben wir [ich und ein paar andere] dann beschlossen, okay, wir werden jetzt Co-Hosts, und veranstalten das auch mit. Und deshalb bin ich jetzt so seit anderthalb Jahren Co-Host des Berliner Death Cafés.
Lisa: Cool! Sehr, sehr interessant!
Christina: Ich kann ja mal erzählen, wie das abläuft. Wir treffen uns dann in ‘nem Café, sind meist so zehn, zwölf Leute, also wir beschränken das auch. Man kann eben über diese Plattform auch die Anmeldung beschränken. Wenn es zu viele sind, haben wir gemerkt, dann kann man auch nicht mehr gut in der Gruppe so’n gemeinsames Gespräch führen. Es gehört zum Death-Café-Prinzip dazu, dass es ’ne gemütliche Atmosphäre sein soll, man trinkt Kaffee, isst Kuchen, und redet dann über den Tod. Und es fängt an, dass dann der Host des Death Cafés so’n bisschen den Hintergrund erzählt, wo kommt es her, wo gibt es das überall, wie läuft es ab. Und dann macht man ’ne Begrüßungsrunde, wo sich alle kurz vorstellen, so die Motivation erzählen, warum sie da sind. Und meist ergibt sich dann aus dieser Begrüßungsrunde schon, dass so’n paar Themen aufkommen. Es sind auch manche dabei, die erzählen, sie haben auch schon ‘ne längere Geschichte mit Depressionen, also es sind auch teilweise welche, die schon mehrere Suizidversuche hinter sich hatten und dadurch sich auch mehr mit dem Thema beschäftigt haben, und dann springt es eigentlich so von Thema zu Thema. Und es ist manchmal sehr… geht einem sehr nahe und es ist sehr emotional, und alle öffnen sich sehr viel, manchmal ist es eher theoretisch, da spricht man dann über so was, ja, gibt es so was wie Leben nach dem Tod?, oder auch so Transhumanismus, und ist es wünschenswert, man würde das Leben verlängern?, was ist daran positiv, was nicht?, manchmal ist es einfach sehr philosophisch, manchmal sehr nah, und es variiert einfach total. Und was wir immer wieder merken, ist, es ist also keine gedrückte Stimmung, oder komische Stimmung, sondern wir lachen wirklich auch sehr oft. Es ist sehr oft sehr witzig. Es ist auch keine Selbsthilfegruppe, es ist nicht so was wie ‘ne Therapiegruppe, oder es ist auch keine Trauergruppe für Menschen, das sagen wir auch öfter mal explizit. Dafür gibt es auch andere Formate, und die sind viel geeigneter, sondern es soll einfach ein Austausch sein zum Thema.
Lisa: Ich fragte Christina, was ihre persönliche philosophische Einstellung zum Tod ist.
Christina: Ich hab sehr stark dieses Gefühl… also ich glaub nicht an einen Gott als Person, aber ich glaube an irgendeine Kraft um uns herum, was mir zum Beispiel in der Natur sehr deutlich wird. Und ich glaube schon, dass es da irgend so was gibt, ich fühl dadurch auch ein gewisses Aufgehobensein, und dieses Aufgehobensein, trotz allen Bewusstseins, wie sterblich ich bin, und dass mir jederzeit ein Blumentopf auf’n Kopf kippen kann, oder ein Auto mich um die Ecke fahren kann, oder ich auch jetzt mit 48 auch ’n Herzinfarkt oder ’n Schlaganfall oder sonst irgendwas haben könnte, das ist mir schon sehr bewusst. Aber so Sachen passieren eben, und wenn es passiert, dann ist es eben so, dann soll das so sein, auch nicht „soll das so sein“ als Vorbestimmung, sondern „so ist das Leben eben“, und das gibt mir aber auch – und das ist ‘ne Erkenntnis, die viele haben, die beim Death Café sind, dass dieses… sich seine eigene Sterblichkeit sehr bewusst machen und die Endlichkeit des Lebens einem dann aber auch ein viel stärkeres Gespür für das Geschenk darstellt, was das Leben ist, und wie glücklich man sich überhaupt schätzen kann, dass man am Leben ist, und dass man diese Lebensspanne hat, und so’n Bewusstsein auch dafür, dass man das Beste draus machen sollte, nicht im Sinne von Perfektionismus, aber es nutzen und so viel erleben, wie es geht und Dinge entdecken und neugierig bleiben, und einfach es auch immer wieder als Geschenk begreifen. Und man stirbt ja jeden Tag. Also, man geht ja auf den Tod zu und der Körper baut sich Tag für Tag, Sekunde für Sekunde, ab. Und ich find, dies ist eigentlich ein gutes Bild und das sollte man sich klarmachen. Und ich hab grad auch die Tage darüber nachgedacht, weil ich mit meinem Vater telefoniert hatte, und mein Vater jetzt auch so ziemlich krankheitliche Malaisen hat und meine Mutter ja auch dement ist, und hab dann so gedacht, hmm, ich bin jetzt 48, bis ich dann so in dem Alter bin, hab ich jetzt noch 32 Jahre, so viel ist das nicht mehr! Und hab mir dann auch gedacht, okay, mach dir das mal klar, und leb nicht zu lange immer wieder wochenlang so einfach dahin und denk dir, „naja, irgendwann verbesser‘ ich das dann“ oder „irgendwann wird’s auch wieder anders“ oder so, sondern wenn ich merke, ich bin mit irgendwas unzufrieden und unglücklich oder wenn ich merke, ich wollte da ja schon immer hin, und ich hab das immer noch nicht gemacht in meinen 48 Jahren, dann sollte ich das vielleicht doch mal tun!“, zum Beispiel ’ne Reise an der Westküste in den USA. Man weiß es ja nicht. Und ich glaub, so dieses… so’n Schritt zurückgehen und sich dann eben über die eigene Sterblichkeit und Endlichkeit und diese im Großen und Ganzen auch nicht so riesige Spanne von 80 Jahren klarzuwerden, oder 70, oder wie gesagt, bei dem Ehemann meiner Freundin 44 Jahre nur, das sollte einem dann schon immer mal zeigen, okay, Chancen sollte man wahrnehmen, und Impulsen und Wünschen sollte man nachgehen, und sicher nicht nur hedonistisch leben, aber das Geschenk Leben halt doch wahrnehmen.
Lisa: Ja, da stimme ich dir zu, auf jeden Fall. Aber denkst du, dass Death Cafés helfen, Leuten so ‘ne Einstellung mitzugeben, so ’ne Achtsamkeit und auch so ’ne Gelassenheit, oder denkst du, dass man das meistens schon hat, und dass es eher so ’ne Natursache ist?
Christina: Es sind einige, die zu Death Cafés kommen, die schon eine recht gelassene Haltung haben und die sich damit schon beschäftigt haben, und es gibt sind aber auch einige, die zum Death Café kommen – das ist sogar ein recht großer Teil – die dann sagen, ich merk‘, das ist ein Thema, das ist mir unbequem und ich hab Angst davor, und ich bin da ganz und gar nicht mit gelassen, und da merke ich, dass das schon diesen Personen auch hilft, von anderen so’n bisschen den Weg zu hören, wie sie zu so ‘ner gelasseneren Haltung gekommen sind, und da vielleicht ein bisschen was mitzunehmen. Und wir reden viel über Filme auch, wir reden viel über Bücher, wir tauschen dann auch Links zu, und ich hab schon das Gefühl, dass [es] ne Hilfe ist, auch wenn man in dem Moment, wo man dort das erste Mal hinkommt, noch ein sehr unentspanntes Verhältnis zum Thema hat.
Lisa: Und könntest du mir noch ein paar Buchtipps geben? Gibt’s da Bücher, die du besonders passend findest, vielleicht für die, die gerade erst anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen?
Christina: Ja, von Irvin Yalom gibt es ein paar Bücher zum Thema, der ja auch aus seinem psychotherapeutischen Hintergrund da einiges zu geschrieben hat, da kann ich jetzt keine Titel nennen, aber da weiß ich, [von dem] hatte ich vor einigen Jahren mal ein, zwei Bücher gelesen, die haben mir sehr gut gefallen. Was ich sehr, sehr gerne mag, weil es meine Haltung zu dem Thema, so diese etwas lakonische Haltung zu dem Thema sehr gut widerspiegelt, ist von Wolf Erlbruch – Ente, Tod und Tulpe. Man denkt das erste Mal, wenn man’s sieht, es ist ein Kinderbuch, aber die Wolf Erlbruch Bücher sind ja immer so auch gerade eher Erwachsenenbücher, oder so’n Zwischending. Ganz, ganz toll. Also wirklich richtig, richtig schön, schildert eben so die Ente… auch mit den Illustrationen, der Tod ist eben mit ’nem Totenkopf dargestellt, und so’m grauen Mantel, aber gar nicht beängstigend, und diese Ente ist halt schon etwas in die Jahre gekommen und merkt irgendwie, sie fühlt sich so’n bisschen fröstelig und und es ist auch so’n bisschen herbstlich, und man merkt so, okay, der Tod naht, und dann taucht eben der Tod auch tatsächlich als Figur auf und verbringt dann aber noch Zeit mit der Ente und lernt so’n bisschen auch das Leben der Ente kennen, und was sie am Leben hält, und als sie dann am Ende gehen muss, hat sie aber irgendwie so Freundschaft mit dem Tod geschlossen, und das ist dann immer noch traurig und für mich spiegelt das auch wider, der Tod ist natürlich immer noch traurig, man wird das nie völlig akzeptieren und der Verlust der Menschen ist immer schlimm und auch für einen selber, das Leben zu verlieren, was für‘n Riesenverlust ist das, das ist ja definitiv so, aber gerade in diesem Buch wird es rübergebracht, dass es gut ist, dass es okay so ist, und das Buch ist toll, ganz, ganz schön. Und Filme gibt’s natürlich auch sehr, sehr viele sehr gute. Ich find ja wirklich zum Thema einen sehr ‚cheesy‘ Film gar nicht schlecht, ich muss wirklich bekennen als Fan von Rendezvous mit Joe Black.
Lisa: Ich kann mich kaum noch erinnern, an den Film.
Christina: Der ist mit Brad Pitt, der da wirklich ziemlich schleim-y, aber auch auf ’ne gute Art, spielt, so dieses… er ist ja auch der Tod, der ins Leben kommt und der sich dann tatsächlich dann in die Tochter von demjenigen, den er mitnimmt, verliebt, und Anthony Hopkins spielt den Mann, der dann gehen muss. Und das ist aber schon alles sehr menschlich und gut geschildert und auch dieses Realisieren des Mannes, der gehen muss, andererseits aber auch, dass der Tod das Leben kennenlernt und versteht, warum die Menschen so am Leben hängen. Es ist ein bisschen cheesy, aber ich find‘ ihn ganz toll, und ich heul schon immer am Schluss.
Lisa: Okay, ja dann muss ich mir den nochmal angucken, ist schon sehr, sehr lange her.
Christina: Es gibt einen Film zum Thema Tod, den ich ganz, ganz, ganz toll finde. Der heißt auf Englisch Still Life. Der beschäftigt sich mit mit jemandem irgendwie von der Friedhofsbehörde, der bei Menschen, [von denen] es keine Nachfahren gibt, nachforscht. Und das ist so’n ganz zurückgezogen lebender Mensch, der aber dann durch die Begegnung mit der Tochter von einem, zu dem er recherchiert, wieder plötzlich so auflebt und mehr ins Leben zurückkehrt, und der ist ganz super, kann ich sehr empfehlen. Teilweise auch sehr traurig, aber wunderschöner Film.
Was ich immer sehr spannend finde, ist, wenn’s darum geht, wie man beerdigt sein will. Und das ist ja sowieso so ‘ne ganz spannende Entwicklung, die sich auch in Deutschland so abzeichnet, dass immer mehr Leute sagen, „naja, dann bin ich ja sowieso tot, und dann ist es auch egal“, und immer mehr wirklich sagen, „Hauptsache, billig!“ und es ja auch so ist, definitiv, deshalb haben ja Friedhöfe auch inzwischen ‘nen großes Problem, weil die sehr groß sind und ja Gräber auch ablaufen, aber ganz viele Leute sich jetzt einäschern lassen. Und das hat wohl massiv sich geändert, der Anteil derer, die sich einäschern lassen zu denen, die sich begraben lassen. Bei mir ist es definitiv so, dass ich… ich möchte begraben sein. Diese Vorstellung, irgendwie, verbrannt zu werden, find‘ ich ganz unschön und gruselig. Das ist was, was mich sehr eint mit meiner Mutter. In unserer Familie ist es – deshalb hab ich da wahrscheinlich auch ein halbwegs entspanntes Verhältnis zum Thema – haben wir immer sehr offen über alle Sachen gesprochen und haben eben auch darüber gesprochen. Meine Mutter hat dann immer gesagt: „Ich will nicht, dass ich zum Beispiel wie so, wenn man dann verbrennt, dass sich dann mein Körper so aufbäumt und dann noch mal so verpufft oder explodiert.“ Das soll ja passieren. Ich hab für mich irgendwie so ’ne Vorstellung, dass irgendwie dieser Übergang doch ’ne Rolle spielt, deshalb hab ich auch immer noch ’ne ambivalente Haltung zur Organspende und weiß nicht genau, ob ich das machen soll, komplett oder nicht, und für mich ist es so, ich möchte in ‘nem Grab liegen, ich möchte beerdigt werden in ‘nem Sarg, ich möchte langsam vor mich hin verrotten und von Würmern aufgefressen werden, und ich find‘ irgendwie, das ist ‘ne sehr schöne und natürliche Vorstellung.
Lisa: Ja, einerseits schon, ne? So an ‘nem Baum wär cool, ne?
Christina: Ja, das hat so was ganz Friedliches für mich. Und ich hab mir auch meine Grabsteine schon ausgesucht. Hab ich auch meiner Schwester und meinem Onkel schon mitgeteilt und ich weiß auch schon genau, was auf meinem Grabstein stehen soll. Also, ich hab da sehr genaue Vorstellungen.
Lisa: Christina und ich sprachen auch über Konzepte wie Karma und Wiedergeburt und den sogenannten „Gerechte-Welt-Glauben“ (auf Englisch „just-world fallacy“), dann sprach ich das Thema Sterbehilfe an.
Lisa: Ist das auch ein Thema, das ihr auch so besprecht, mit Sterbehilfe und so?
Christina: Auch.
Lisa: Ich weiß, in Deutschland ist es ja nicht erlaubt, aber ich finde eigentlich, es sollte erlaubt sein.
Christina: Ja, also absolut. Für viele ist es ja wirklich auch ’ne Qual, und das ist wirklich teilweise unwürdig, was das für Kämpfe sind. Ist ja auch in Belgien und Holland auch immer mal wieder, wo die Gesetzgebung ja doch sehr viel offener ist und also das sind auch Themen, die wir immer mal diskutieren und eben auch wo dann die Grenzen liegen sollten, welche Grenzen zu eng sind. Das Problem ist ja dann auch wirklich, dass man das teilweise dann auch selber nicht mehr in der Hand hat und darüber sprechen wir natürlich auch manchmal, wie man dann auch vorsorgen kann, und Patientenverfügung, und was man dann noch möchte oder was nicht und auch über solche Sachen. Ich hab zum Beispiel auch mit ner Freundin zusammen mal – vor ‘nem halben Jahr war das etwa – nen Kurs gemacht. Der nennt sich „Letzte-Hilfe-Kurs“, den gibt es auch deutschlandweit, hier und da. Und da geht es eben drum, wenn man zum Beispiel sterbende Angehörige hat, wie geht man mit ihnen um, wie ist eigentlich der Sterbeprozess, und es war auch ein Anteil wirklich so was Bürokratisches – Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, all solche Sachen, also auch dass man da mal weiß, auch wenn man ältere Eltern hat, was man da machen sollte, welche Möglichkeiten man hat, und auch für sich selber, also man sollte letztlich auch für sich selber, wenn man ‘nen Unfall hat oder was auch immer, dann auch Entscheidungen fällen, ob man zum Beispiel dann möchte, dass ‘ne Magensonde gelegt wird, auch wenn ansonsten nicht mehr viel Hoffnung ist, und solche Geschichten. Also das man kann ja auch alles festlegen, und das ist zwar nicht unbedingt angenehm, sich dann mit diesen ganzen Optionen und Eventualitäten auseinanderzusetzen, aber ich denke schon, sehr gut, weil man entweder sich selber, wenn man für sich das entscheidet, [oder] auch seinen Angehörigen auch sehr viel Leid und Kummer und auch schwierige Dinge ersparen kann, wenn man früh genug Vorsorge trifft.
Lisa: Ja.
Christina: Also, auch diesen Kurs kann ich sehr empfehlen.
Lisa: Ich denk grad an diesen Film, hast du den gesehen, Hin und Weg glaub ich, hieß der, mit Florian David Fitz?
Christina: Ja, genau, mit dieser Fahrradtour, ne?
Lisa: Genau, ja, den fand ich auch ganz schön. Ist sehr, sehr traurig.
Christina: Ja, sehr traurig, aber man hat auch gemerkt, wie verschiedene Personen unterschiedlich mit so was umgehen. Das sind übrigens auch so Fragen, die dann auftauchen: Wie möchtet ihr sterben? Zuhause, noch in ner Runde von Freunden? Und sich damit mal auseinanderzusetzen, kann einem, glaub ich, auch helfen. Also, ich mein, in vielen Fällen sind einem die Hände gebunden, dann ist man krank, dann liegt man schon im Krankenhaus, aber auch da macht’s ‘nen Unterschied, wie früh man entscheidet, ich will jetzt nicht mehr im Krankenhaus bleiben, sondern ich geh in ‘n Hospiz, was ‘ne ganz andere Umgebung ist, und da auch um alle Optionen zu wissen.
Lisa: Wie viel man sich da eigentlich vor scheut, ne?
Christina: Total.
Lisa: Bis zum gewissen Alter, wenn man gezwungen ist, dann.
Christina: Das ist auch das, was so die Death Café Besucher immer sagen, dass sie sich mit dem Thema eigentlich auseinandersetzen wollen, zwar selber her und da ne Scheu davor haben, aber auch ein Problem damit haben, was für’n Tabu das Thema Tod in unserer Gesellschaft ist. Und wie sehr es verdrängt wird und wie wenig in unserer Gesellschaft, in der es um Perfektionierung und Leistung und Fitsein und alle diese Dinge geht, wie wenig es da ‘ne Rolle spielen darf. Und wir haben ja auch ‘ne Gesellschaft, so Scheitern eigentlich nicht passieren darf, und das ist dann ja natürlich klar, dass in so’m gesellschaftlichen Umfeld das größte „Scheitern“ oder das größte Niedergehen, der Tod, was ja nicht nen Scheitern ist oder nen Versagen, sondern einfach ein normaler Zyklus, aber dass das dann verdrängt wird, weil das da keinen Platz hat. Und da merk ich aber auch… wir hatten eine Death Café Besucherin neulich, die hat in Thailand sehr lange gelebt und die hat gesagt, das ist was ganz anderes da, da ist das ein Teil der Kultur – dort, wo sie herkommt, zumindest, aus der Gegend, dem Umfeld. Und da ist das ganz normal, da ist auch Trauern und auch das Sterben viel präsenter in der Gesellschaft, und viel offener. Und da sind dann aber auch die Ängste nicht so groß. Bei meiner Oma war das dann danach so, nachdem ich die ganze Beerdigung durchgeheult hatte, waren wir dann in ‘nem Café, wo wir früher öfter waren, und haben dann ihren Lieblingskuchen gegessen, haben alle zusammen gesessen und uns erinnert, und das war dann wirklich so, dass es so ‘ne Mischung aus Weinen und Lachen und sich-Erinnern [war]. Und gibt’s ja auch in vielen Gegenden Deutschlands, so diesen Begriff „Fell versaufen“, was ja wirklich so ‘ne Tradition ist, sich auch nochmal an die Toten zu erinnern, und auch dieser ‚Día de los Muertos‘ in Mexiko, mit den Toten zu leben, auf den Friedhof zu gehen, ‘n Glas Tequila auf ihrem Grab auszuschütten, mit ihnen zusammen zu feiern und sie und ihr Leben zu feiern, so was ist bei uns undenkbar und das find ich sehr schade.
Ich hab für mich genommen doch so ‘ne sehr existentialistische Weltsicht, und ich seh’s einfach so, und ich seh’s einfach so, dass man in dieses Leben geworfen wird und dann passieren einem Dinge, und es können sehr schöne Dinge sein, es können aber auch sehr schreckliche Dinge sein, und man hat ‘nen gewissen Spielraum, in dem man sein Leben auch schön gestalten kann und in dem man Wege und Entscheidungen trifft und einschlägt, die einem auch guttun, und man kann genauso gut aber auch sich auf ne Art verhalten und sich selbst das Leben zur Hölle machen. Also ich seh’ es nicht als vorbestimmt und Schicksal und „irgendwer lenkt es“, sondern ich denke schon, dass es relativ willkürlich auch ist, was uns zustößt, und man muss halt sehen, was man daraus macht. Und ich glaub, die Haltung dazu bestimmt dann irgendwie, ob man ’n glückliches Leben für sich führt oder nicht, wie man sich damit arrangiert. Und ich hab das, glaub ich, auch sehr diesen Blick aufs Leben auch entwickelt, weil meine Mutter doch ne sehr andere Art hat und meine Mutter dem Leben immer Dinge übelgenommen hat, und immer das Gefühl hatte, obwohl sie eigentlich sehr viele Privilegien und sehr viele gute Voraussetzungen und auch gute Dinge hatte, die ihr zugestoßen sind, sie hat aber immer das Negative gesehen und hat immer verglichen und – bevor sie jetzt dement geworden ist und dadurch ein sehr viel positiveres Leben eigentlich hat, weil sie dieses Hadern und Negative nicht mehr hat – aber bis dahin hat sie sehr dieses gehabt: „Warum hat das Leben mir so übel mitgespielt?“ Und: „Alle anderen haben’s besser getroffen“ – oder: „Viele andere haben es besser getroffen“ – und: „Ausgerechnet mir!“ und: „Warum hab ich das nicht?“ Und so als wenn da immer irgendwer sitzt, der sie beschissen hätte um ‘n gutes Leben. Und das war für mich immer total absurd und ist so gar nicht meine Sicht, und ich find diesen Satz: „Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen“, find ich sehr gut. Uns wird nichts versprochen, uns wird nichts mitgegeben, oder man kommt aufs Leben und man hat irgendwas verdient oder ‘n Recht auf irgendwas, sondern das Leben ist das, was man daraus macht, und es können einem sehr viele gute Sachen zustoßen, aber auch sehr viel Scheiße.
Lisa: Ja, da stimm ich dir vollkommen zu. Ich würd auch sagen, ich mag so diese existentialistische Art, das Leben zu sehen, auch [den Ansatz] von Viktor Frankl, ne? Dass man so selbst nen Sinn findet, ne, im Leben, also selbst dem Leben ‘nen Sinn gibt.
Lisa: Und das war unsere Spezialepisode zum Thema Tod und Sterblichkeit. In der nächsten Episode geht es um das Thema Lieblingsserien. Bei Fragen, Anregungen oder Themenvorschlägen könnt ihr mir immer gern schreiben. Bleibt gesund und bis bald!
Umgangssprachliche Ausdrücke
Grufti = Goth
bescheißen = to cheat
Christinas Empfehlungen zum Weiterlesen, Sehen und Hören zum Thema:
Bücher:
Hans Christian Andersen - Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern / The Little Match Girl (1845)
Wolf Erlbruch - Ente, Tod und Tulpe (2010)
Irvin D. Yalom - In die Sonne schauen / Staring at the Sun (2008)
Gian Domenico Borasio - Über das Sterben (2012)
Markus Zusak - Die Bücherdiebin / The Book Thief (2005)
Filme:
Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit / Still Life (2013)
Rendezvous mit Joe Black / Meet Joe Black (1998)
21 Gramm / 21 Grams (2003)
Mein Leben ohne mich / My Life Without Me (2003)
Meine Schwestern (2014)
Nokan - Die Kunst des Ausklangs / Departures (2008)
Podcast:
The End
Empfehlungen von Lisa:
Bücher:
Bronnie Ware - Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen / The Top Five Regrets of the Dying (2011)
John Green - Das Schicksal ist ein mieser Verräter / The Fault in our Stars (2012)
Filme:
Hin und Weg / Tour de Force (2014)
The Farewell (2019)
Der Baum / The Tree (2010)
Serien:
Six Feet Under (2001-2005)